Offener Brief an die Bildungsministerin
„Aber wer denkt an die Lehrer?“
Die Redaktion der EuW erreichte ein Offener Brief der Lehrkräfte des Gymnasiums Martineum Halberstadt an Bildungsministerin Eva Feußner. Darin beklagt das Kollegium die mangelhafte Unterrichtsversorgung und die Probleme in Bezug auf die Arbeitszeiterhöhung. Daraufhin erfolgte eine Gesprächseinladung des Bildungsministeriums – wir werden in der EuW zeitnah über das Ergebnis berichten.
Sehr geehrte Frau Ministerin Feußner,
die aktuelle Unterrichtsversorgung ist derzeit mit ca. 94 Prozent weit von den im Koalitionsvertrag anvisierten 103 Prozent entfernt. Ihr Ministerium versucht zurzeit alles, um dieses Ziel zu erreichen. Kann man aber die Unterrichtsversorgung langfristig verbessern, wenn gleichzeitig die Rahmenbedingungen für den Lehrerberuf immer schlechter werden?
Vor allem die erfahreneren Lehrerinnen und Lehrer wurden in letzter Zeit immer wieder vor den Kopf gestoßen. Aber gerade diese Lehrkräfte waren es, die ab den 1990er Jahren das System Schule am Laufen gehalten haben. Die Altersermäßigungsstunden werden erst ab dem Halbjahr nach Vollendung des 62. Lebensjahres gewährt, andere Bundesländer staffeln diese Ermäßigung, die auch etwas mit Fürsorge und Wertschätzung der geleisteten Arbeit zu tun haben, teilweise schon ab 55 Jahren.
Die Gewerkschaften und Verbände haben schon seit langem die Einführung von Arbeitszeitkonten gefordert. Jetzt „erhört“ man diese und führt neben diesem Konto die Vorgriffstunde ein. Eine Stunde mehr arbeiten ist ja nicht so schlimm. Sie sagten, die Lehrer sollten doch an die Kinder denken. An die Kinder denken wir immer, denn sie haben kontinuierlichen Unterricht von motivierten Lehrkräften verdient. Aber wer denkt an die Lehrer, die im Durchschnitt laut letzter Arbeitszeitstudie am Gymnasium schon jetzt über 48 Stunden pro Woche arbeiten? – Und da sind die Ferien schon mit eingerechnet!
Auch der Forderung nach Entlastung der Lehrkräfte durch die Einstellung von Schulverwaltungsassistenten wurde jetzt nachgekommen. Laut Ausschreibung umfasst das Aufgabenfeld dieser die kontinuierliche Unterstützung der Schulleitungen und Lehrkräfte. Hier sind explizit Aufgaben wie die Organisation des Schulanmeldeverfahrens, die Erstellung von schulinternen und amtlichen Statistiken, die Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit, die Koordination der Schülerbeförderung, die Zusammenarbeit mit externen Partnern und Schulträgern sowie die Unterstützung der Schulleitung bei der Personalverwaltung genannt. Aufgaben, die bis jetzt von den Schulleitungen erledigt wurden. Das Aufgabenspektrum eines Schulverwaltungsassistenten entlastet den Großteil der Lehrkräfte nicht. Aber als „Gegenleistung“ für die Einführung von Schulverwaltungsassistenten werden den Schulen ein Drittel ihrer Stunden für besondere Belastungen der Lehrkräfte nach § 10 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) gestrichen. Wir haben das einmal am Beispiel unserer Schule hochgerechnet. Drei von 63 Lehrkräften erhielten Anrechnungsstunden aus diesem Topf für die Führung des Schulgirokontos, die Schulbuchverantwortlichkeit und die Gestaltung der Website. Das waren insgesamt vier Stunden, die gewährt wurden. Die Verteilung der Zuschüsse für Schüler und Reisekosten für Lehrkräfte wurden nebenbei ohne Anrechnung erledigt.
Unsere Schule erhält insgesamt 33 Stunden nach § 10 ArbZVO-Lehr. Jetzt werden ein Drittel gestrichen. Elf Stunden Anrechnung weniger für vier Stunden, die die Aufgaben eines Schulverwaltungsassistenten ersetzen. Das ist keine Entlastung für die Lehrkräfte! Haben Sie schon einmal über das generelle Einführen einer Ermäßigungsstunde für Klassenleiter nachgedacht? Das wäre ein Signal in die richtige Richtung, welches Wertschätzung und Verantwortung gegenüber den Lehrkräften zeigt.
Insgesamt kann man schlussfolgern, dass durch die in den letzten Jahren eingeführten Maßnahmen die Attraktivität des Lehrerberufes in unserem Bundesland nicht gesteigert wird. Eher tritt das Gegenteil ein, viele weitere Lehrkräfte werden keinen Tag länger in der Schule bleiben als sie müssen.
Lehrkräfte des Gymnasiums Martineum Halberstadt