Lieber Lehrer*innenmangel
ahles Guhte zum XX. Gebutstag!
Den Geburtstagsgruß kann man durchaus lesen, die Eltern eines Erst- oder Zweitklässlers würden sich mit Sicherheit darüber erfreuen, nur Eltern älterer Kinder wohl kaum und für einen Artikel in einer Zeitschrift ist er wohl nur mit Ironie und Sarkasmus zu ertragen.
Die eine oder der andere fragt sich an dieser Stelle: Korrigiert nicht das T9 am Smartphone oder die automatische Rechtschreibprüfung des MS Word© die Fehler? Also die erste Frage ist schnell beantwortet: T9 wird bei Smartphones gar nicht mehr benutzt, da sie eine QWERTZ-Tastatur haben. Die zweite Frage ist allerdings schon berechtigt, da weiß Anja Bescheid. Auch mit guter Bildung, könnte man argumentieren, ließe sich eine nette Grußformel orthografisch korrekt schreiben. Aber wie soll das gehen, lieber Lehrer*innenmangel?
Für mich ist es der 10. Geburtstag, den ich mit dir feiere. Sicherlich warst du zuvor auch schon zugegen, aber es war das Jahr 2014, als ich dich bemerkt habe. Es war noch eine Zeit, als man versuchte, die Prognose der Anzahl der Schüler*innen und damit den Bedarf an Lehrervollzeitäquivalenten kleinzurechnen und so den und so den Haushalt zu konsolidieren, obwohl hier und da schon klar war, dass es für so manche Stellen im Land keine Bewerber*innen gab und die Stellen nicht besetzt werden konnten.
Dies betraf natürlich zuerst den ländlichen Raum. Versuche gegenzusteuern gab es reichlich: von der Verkürzung der Referendariatszeit über die Erhöhung des Rentenalters, die weitgehende Streichung der Altersabminderung, die Reduzierung der Stundentafeln, die Vermeidung von Teilzeit, die Öffnung für Seiteneinsteigende bis hin zur Erfindung der Vorgriffstunde. Doch das hat alles nicht gereicht, die angestrebten 103 Prozent befinden sich in weiter Entfernung und das verfügbare Personal soll eine zusätzliche Unterrichtsstunde leisten, die vergütet wird, die aber viel mehr zusätzliche Arbeitszeit mit sich bringt: das Vor- und Nachbereiten der Unterrichtsstunden, die Teilnahme an Klassenkonferenzen in einer weiteren Klasse, das Errechnen der Zeugnisnoten, die zusätzlichen Besprechungen mit Kolleg*innen u. v. m.
Nunja, da dachte sich das Land, wir helfen unseren fleißigen Lehrkräften und bieten ihnen Open-KI auf dem Landesbildungsserver an, um schneller, einfacher und kreativer den Unterricht vorzubereiten, so wie Anja. Um das Tool zu nutzen, benötigt man eine Freischaltung, die man mit der Teilnahme an einer einstündigen Online-Fortbildung erwirkt. Erledigt. Für morgen möchte ich meine Vorgriffstunde damit planen. Ich werde vom Chat-Bot so empfangen: Ich bin Ihr Chatbot, angetrieben von ChatGPT-4. Wie kann ich Ihnen heute weiterhelfen? Sehr höflich.
Also gebe ich das Thema der Stunde, die Klassenstufe, die Schulform, die Raumausstattung und die verfügbare Zeit ein und siehe da: Ihnen fehlt die Berechtigung, um diesen Dienst nutzen zu können! Hm, zweiter Versuch. Dritter Versuch. Ich durchsuche den Bildungsserver und finde ein Anleitungsvideo, in dem Anja erklärt, wie man Open-KI des Bildungsservers nutzt. Sogar einen Arbeitsblattgenerator soll es geben. Warum ich keine Berechtigung haben soll, erfahre ich aber nirgends. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Administratoren anzuschreiben. Es ist allerdings nach 17 Uhr, mit einer Antwort rechne ich heute nicht mehr, so dass ich auch meine Vorgriffstunde nicht so wie Anja – die dann nämlich noch Zeit für einen Kaffee mit ihren Kolleg*innen hat – schnell, einfach und kreativ vorbereitet habe, sondern nun eine weitere Stunde Zeit verloren habe, ebenso wie die Motivation, mich morgen oder übermorgen erneut damit zu beschäftigen. Die Vorgriffstunde plane ich nun wie sonst auch, ohne Künstliche Intelligenz.
Prinzipiell sehe ich die technischen Neuerungen positiv und gewinnbringend. Ich werde es wieder versuchen. Sobald ich Antwort von Anja – ach nee! … von den Administratoren bekommen habe, werde ich mit Unterstützung von Open-KI die Vorgriffstunden planen, so dass die Schüler*innen bald auch ortokrafisch korekte Gebutstagsgrüse schreiben können.