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GEW-Mitglieder im Fokus

Angela Ryll: Eine Frau bleibt am Ball

In der DDR dazu „verdonnert“, nach der Wende mit ganz bewusstem Engagement: Was die Hallenserin Angela Ryll mit ihren GEW-Mitstreitern erreichen will – und was sie mit einem Jux „anrichtete“.

Foto: Andreas Löffler

Sie hat selbst 15 Jahre aktiv Fußball gespielt – als kampfstarke Außenverteidigerin –, war dann Mannschaftsbetreuerin der Landesliga-Kicker von Askania Nietleben und ist noch heute als Ordnerin bei den Spielen des Fußballvereins und Motoball-Teams ihrer Heimatstadt im Einsatz: Angela Ryll, die im GEW-Stadtvorstand Halle der Fachgruppe Kita/Jugendhilfe vorsteht, ist im ganz wortwörtlichen Sinne eine Frau, die am Ball bleibt. Auch beim jüngsten Warnstreik der GEW im April bezog die heute 55-Jährige Position und hielt buchstäblich die Fahne hoch. Angela Rylls gewerkschaftliches Engagement hat eine lange Geschichte: „Zu DDR-Zeiten wurde man zur Mitgliedschaft im FDGB, dem von der Staatsführung gelenkten sogenannten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, ja förmlich verdonnert. Nach der politischen Wende bin ich dann so ziemlich nahtlos bei der GEW gelandet, was – wenn man so will – der Beginn meiner eigentlichen Bewusstwerdung als Gewerkschaftsmitglied war“, erzählt sie. Was sie bei ihrem Engagement antreibt? „Es gibt immer viel Rumgemeckere, aber wenig Bereitschaft, für eine Änderung des Kritisierten einzustehen. Sowas ärgert mich; und so möchte ich nicht sein“, sagt Angela Ryll bestimmt. Und wenn sie sich selbst keineswegs als „Vorzeige-Kämpferin“ empfindet – „sooo viel Kraft habe ich gar nicht“, meint sie mit einer gehörigen Portion Understatement – vermitteln allein ihre Vita und ausgeübten Funktionen einen anderen Eindruck: Neben der Fachgruppenleitung im GEW-Stadtvorstand ist sie Personalratsmitglied beim Eigenbetrieb Kindertagesstätten der Stadt Halle und wirkt seit vielen Jahren in der Bundestarifkommission mit.

Nun also – und gewissermaßen als jüngster Ausdruck ihres Engagements – der Warnstreik. „Es geht uns generell um eine Aufwertung und stärkere Wertschätzung unseres Tuns. Und aktuell ganz konkret zum Beispiel darum, dass jene Kollegen, die praktisch täglich mit gehandicapten Kindern arbeiten, prinzipiell und nicht nur in Einzelfällen tariflich als ,Erzieher mit höherwertiger Tätigkeit‘ eingruppiert und entsprechend besser vergütet werden“, erläutert Angela Ryll. Noch in der DDR zur Kindergärtnerin ausgebildet, tat sie nach der Wende der aus ihrer Sicht durchaus diskutablen Forderung Genüge, sich sozusagen ein zweites Mal zur „Staatlich anerkannten Erzieherin“, wie der mit dem erneuten Abschluss erreichte berufliche Titel nun hieß, qualifizieren zu lassen. Nach einer zusätzlich und aus eigenem Antrieb „draufgepackten“ Weiterbildung zur Heilpädagogin ist die Hallenserin seit zwei Jahrzehnten in der Integrativen Kindertagesstätte „Däumelinchen“ im Stadtteil Silberhöhe tätig. Und bekommt somit aus unmittelbarem Erleben vor Ort und an der Basis mit, wo der Schuh drückt beziehungsweise an welchen Stellen sowohl mit Blick auf die dort betreuten Kinder als auch deren Betreuer noch Verbesserungs- und Optimierungspotenzial liegt. „Der Stress nimmt zu – nicht zuletzt durch die immer umfangreicheren Dokumentationspflichten“, findet sie. So gut es prinzipiell sei, dass den Erziehern nun für Vor- und Nachbereitung die sogenannte Verfügungszeit zugebilligt werde, so zwangsläufig ginge ebendiese zu Lasten der sogenannten Kontaktstunden, also der unmittelbaren Arbeit mit den Kindern – ein enormes Dilemma. „Wenn man also eine echte und tatsächliche Verbesserung erreichen will, kann die einzig logische Konsequenz im Grunde nur lauten, dass man, jeweils gerechnet auf etwa 20 Beschäftigte, noch eine zusätzliche pädagogische Kraft einstellt – auch dafür setzen wir uns ein.“

Apropos Einsatz: Natürlich würde sich Angela Ryll wünschen (und wirbt auch dafür), dass sich noch mehr Kollegen als Mitglied in der Gewerkschaft engagieren – in ihrer Einrichtung sind es derzeit vier von 20. „Ich bin wirklich zutiefst davon überzeugt, dass die ,gebündelte Kampfkraft‘ der GEW etwas bringt – sei es das Auffangen von Problemen, das Umsetzen in Forderungen, die diesbezüglich Abhilfe schaffen könnten, oder das Finden von Lösungswegen“, betont sie. Insofern sei sie über die verbreitete Passivität mitunter fast ein wenig erstaunt. „Ich kämpfe eigentlich ausschließlich für euch, denn ich ganz persönlich habe das schon“, beschreibt sie etwa ihre Gedanken hinsichtlich der aktuellen GEW-Forderung nach prinzipieller tariflicher Eingruppierung der mit gehandicapten Heranwachsenden Arbeitenden als „Erzieher mit höherwertiger Tätigkeit“.

Um für ihr Unverständnis über manche Lethargie bei ihren doch eigentlich „naturgemäßen“ Mitstreitern ein Ventil zu finden, habe sie sich einst sogar mal einen kleinen Jux erlaubt. „Als ich nach einer erfolgreichen Tarifrunde gerade von Nicht-Mitgliedern immer wieder gefragt wurde, wann denn die Gehaltserhöhung komme, habe ich entgegnet, dass sie wohl das Kleingedruckte – gilt nur für Gewerkschafter und Streikteilnehmer – nicht gelesen hätten, diesen reichlich konsternierte Mienen hervorrufenden Scherz dann aber schnell aufgelöst.“ Was beweist: Eine fröhliche und lebenslustige Frau ist Angela Ryll trotz mancher Frustration auch bei ihrem gewerkschaftlichen Tun („Ich wollte, wir würden noch viel mehr erreichen“) allemal geblieben. „Ich brauche – und habe zum Glück – einen persönlichen Wohlfühlbereich: Ich sehe meinen Beruf als Berufung, weil man gerade den Jüngsten noch viele prägende Impulse mit auf den Lebensweg geben kann. Und ich genieße Kinobesuche und andere Freizeitaktivitäten mit meinem Partner, vor allem unsere gemeinsamen Einsätze ,am Ball‘ – als Ordnerin beim Fußball, um genau zu sein“, meint sie lachend.