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Ich bin die GEW

Anja Lüderitz: Aus der Physiotherapie-Praxis in den Lehrerbezirkspersonalrat

Die als Pädagogische Mitarbeiterin in therapeutischer Funktion an einer Zerbster Förderschule tätige Anja Lüderitz ist vielleicht keine superlaute, dafür aber umso hartnäckigere Streiterin für bessere und gerechtere Bedingungen in der pädagogischen Arbeit.

Es gibt sie, diese Zeitgenossen, die keine extrovertierten, in den Vordergrund drängenden „Lautsprecher“ sind, sondern die sich vielmehr mit ein wenig leiseren, gleichwohl immer klaren und unmissverständlichen Tönen umso ausdauernder und beharrlicher für die Dinge einsetzen. Wenn man Anja Lüderitz begegnet, trägt sie ein stets freundliches, zugewandtes Lächeln im Gesicht. Und doch wird ein jeder, der mit der Zerbsterin ausführlicher ins Gespräch kommt, in der heute 48-Jährigen ebenfalls genau jenen „Biss, gepaart mit Durchhalte- und letztendlich auch Durchsetzungsvermögen“ entdecken können, den sie sich höchst glaubhaft selbst zuschreibt.

„Meine Eltern haben mich da sehr geprägt: Mein Vater war ein sehr engagierter Betriebsrat und auch meine Mutter hat ein sehr starkes Gerechtigkeitsempfinden an den Tag gelegt“, sagt die Frau, die – nachdem sie zuvor als sogenannte Nachrückerin in gleicher Funktion tätig war – seit 2021 ordentliches Mitglied im Lehrerbezirkspersonalrat Sachsen-Anhalt Süd und dort Vorsitzende der Fachgruppe Förderschulen ist. Denn an eben einer solchen Einrichtung, konkret: an der Förderschule am Heidetor in Zerbst, ist Anja Lüderitz seit dem Jahr 2001 tätig – und zwar als sogenannte Mitarbeiterin in therapeutischer Funktion (PMT). Diese „Sonderstellung“ hat mit Anja Lüderitz’ beruflichem Werdegang zu tun. Denn auch wenn sie sich als Jugendliche zu DDR-Zeiten gut hätte vorstellen können, Grundschullehrerin zu werden, absolvierte sie nach dem Abitur eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. „Ich habe dann vier Jahre lang in zwei verschiedenen Praxen gearbeitet und war nebenher als Betreuerin für die Freizeitgestaltung von behinderten Menschen tätig. Diese Verbindung von therapeutischen und auch pädagogischen Aspekten fand ich derart spannend und erfüllend, dass mich mein Mann, der damals bereits in der Förderschule am Heidetor angestellt war und bis heute mein Kollege ist, ermutigte, mich doch einfach mal zu bewerben.“

Die sogenannte Flügelwanne nutzt Anja Lüderitz für ihre therapeutische Arbeit in der Zerbster Förderschule. (Fotos: Andreas Löffler)

Nach dem erfolgreichen „Umsatteln“ führte Anja Lüderitz’ Weg ziemlich schnell – schon im November 2001 – in die GEW. „Wir hatten eine sehr engagierte Personalrätin, die mich schnell angesprochen hat, weil sie aus jeder Sparte, also auch der der Therapeuten, einen Mitstreiter haben wollte.“ Dies und Lüderitz’ Mitarbeit im Vorstand des GEW-Kreisverbandes Anhalt-Bitterfeld mit besonderem Fokus auf den Belangen der Pädagogischen Mitarbeitenden (PM) ließen auch Marlies Wahl aus Köthen auf die junge Gewerkschafterin aufmerksam werden. Wahl war aufgrund ihres Ruhestandseintritts auf der Suche nach einer „Nachfolgerin“ für den Lehrerbezirkspersonalrat, die sich gleich ihr ebenfalls mit PM-Perspektive und „-Stallgeruch“ in das Gremium einbringt. „Marlies war fürwahr eine richtige ,Hammerfrau‘; die Fußstapfen entsprechend groß – wobei ich immer darauf hingewiesen habe, dass ich keine 1:1-Kopie bin und auch nicht sein kann, sondern ein eigenes Naturell, eine eigene Herangehensweise besitze.“

Für sich und andere zu kämpfen, für die Kolleg*innen das Bestmögliche „rauszuholen“, verschaffe ihr die wohltuende und auch stets aufs Neue motivierende Empfindung einer gewissen Selbstwirksamkeit, meint Anja Lüderitz und führt als Beispiel etwa das langwierige Ringen um die Überleitung in die S-Tabelle des TV-L an, um für diesbezüglich bis dato ungerechtfertigterweise zurückstehende Kolleg*innen eine bessere Vergütung zu erreichen. Und auch eine charakterliche Entwicklung hat sie im Zuge ihres GEW-Engagements an sich bemerkt: „Ich war früher oft sehr emotional und schnell betroffen, was bis zu Tränen führen konnte. Inzwischen betrachte ich die Dinge sehr viel sachlicher und analytischer.“ Und mit einem mittlerweile enorm umfangreichen Wissensschatz sowieso: „Im Lehrerbezirkspersonalrat sitze ich, gerade was aufkommende juristische Fragen angeht, nun gewissermaßen direkt an der Quelle“, hebt Anja Lüderitz hervor.

 

„Dass wir mittlerweile beispielsweise ganz viele ukrainische Kinder bei uns haben und nun deutlich mehr als die seinerzeit festgelegte Zahl an PM brauchen, ist bis dahin komplett unberücksichtigt.“

 

Das habe beispielsweise ihre eigene Schulleitung in einer dienstrechtlichen Auseinandersetzung, „als diese uns für etwas einsetzen wollte, für das wir weder bezahlt werden noch ausgebildet sind“, vernehmlich zu spüren bekommen. Erstaunlich genug (oder angesichts des soeben Beschriebenen vielleicht doch gar nicht mehr so sehr): Obwohl sie wegen ihrer Arbeit im Lehrerbezirkspersonalrat nur noch an zwei von fünf Tagen vor Ort in der Zerbster Förderschule tätig ist und es dort als potenzielle Kandidaten für diese Position natürlich viel mehr Lehrkräfte als Pädagogische Mitarbeitende/Therapeut*innen (PMT) wie sie gebe, ist Anja Lüderitz als Vorsitzende des Personalrates an ihrer Schule gewählt worden. „Ich glaube, die Kolleg*innen wissen, dass ich grundehrlich und geradeaus bin und in einer Dienstberatung auch mal aufstehe und meine Meinung sage“, reflektiert sie.

Allem bereits Erreichten zum Trotz gibt es noch eine Menge an Sachen, die die Zerbsterin umtreiben. Da ist zum einen das schleichende Verschwinden der PMT, bei denen keine Nachbesetzungen mehr erfolgen. „Unter dem schillernden Schlagwort ,multiprofessionelle Teams‘ ist da die Rede davon, dass die therapeutischen Funktionen auch von Externen übernommen werden könnten, dem ich ein ganz klares Kontra entgegensetze: Nein, können sie nicht – oder jedenfalls nicht so organisch in den Ablauf eingebettet und damit so gut wie bislang.“ Zweiter zentraler Punkt aus ihrer Sicht ist die längst überfällige Fortschreibung, Aktualisierung und Anpassung des 2014 vom Landesschulamt vorgelegten und seitdem nie wieder angefassten Konzepts für die Pädagogischen Mitarbeitenden an Sachsen-Anhalts Schulen. „Dass wir mittlerweile beispielsweise ganz viele ukrainische Kinder bei uns haben und nun deutlich mehr als die seinerzeit festgelegte Zahl an PM brauchen, ist bis dahin komplett unberücksichtigt. Und ab 2025 soll da nun noch ein zweijähriger Einstellungsstopp obendrauf kommen“, sagt die Mutter zweier Töchter, die beim Pilates sowie ausgedehnten (Berg-)Wanderungen ihre Akkus wieder auflädt, kopfschüttelnd.