GEW-Mitglieder im Fokus
Antje Eichel-Zenthöfer: Mit Kampfgeist gegen Ungerechtigkeiten
Antje Eichel-Zenthöfer unterrichtet seit dem Vorjahr an der Gemeinschaftsschule Eilsleben im Landkreis Börde. Als sogenannte Seiteneinsteigerin bringt sie eine besondere Perspektive ein.
Sie hat – unter anderem – als Trainerin im Fitness-Studio gearbeitet, im Rahmen eines ESF-Projekts Sekundarschülern Berufsorientierung gegeben, die nach einer Werksschließung in einer Transfergesellschaft gelandeten Beschäftigten für deren beruflichen Neustart gecoacht oder angehende Unternehmerinnen in die Selbstständigkeit begleitet. Seit vorigem Jahr nun unterrichtet Antje Eichel-Zenthöfer an der Gemeinschaftsschule in Eilsleben (Landkreis Börde) Sozialkunde, Geographie, Kunst, Hauswirtschaft und ist zudem Klassenleiterin – eine klassische Seiteneinsteigerin im Lehrerberuf also!?
Nicht so ganz, denn zum einen wollte die heute 41-Jährige ursprünglich ohnehin Lehrerin, präziser: Sportlehrerin werden (ein Traum, der am Amtsarzt scheiterte), zum anderen hat sie im Grunde schon immer pädagogisch gearbeitet. „Letztlich ist genau das auch der Punkt, der mich in die GEW und zu meinem Engagement in der dortigen Netzwerkgruppe Seiteneinsteiger geführt hat. Denn meiner Ansicht nach gibt es allein schon bei der Eingruppierung und Besoldung der Quereinsteiger im Lehrerberuf große Ungerechtigkeiten, gegen die man sich dank der juristischen Beratung durch die GEW besser zur Wehr setzen kann“, sagt die energiegeladene und Tatkraft ausstrahlende Frau.
Zum anderen werde durch das starre Festhalten an welt- und lebensfremden Formalien mitunter das exakte Gegenteil dessen erreicht, was man doch eigentlich als Ziel ausgegeben hatte. Antje Eichel-Zenthöfer macht das längst nicht nur an der nun durchgedrückten einen Unterrichtsstunde Lehrdeputat mehr fest, sondern eben auch am Umgang mit den, genau, Seiteneinsteigern – und kommt dabei fast zwangsläufig auf ihre eigene Biographie zu sprechen: „Schauen Sie, nach dem geplatzten Sportlehrer-Traum habe ich in Magdeburg ein Studium der Erwachsenenbildung mit Schwerpunktfächern wie Berufs- und Betriebspädagogik, auch Psychologie, absolviert, zudem in all den Jahren danach stets in irgendeiner Weise als Unterrichtende gearbeitet“, berichtet die Mutter zweier Kinder. Dessen ungeachtet habe man ihr formaljuristisch bisher noch nicht die erforderlichen Unterrichtsfächer „abgeleitet“, wie es verquast im Amtsdeutsch heißt. „Zwei Jahre lang gilt wohl eine Art Übergangsfrist. Doch sollte man mich nach deren Ablauf tatsächlich dazu ,vergattern‘ wollen, noch einmal ein komplettes Bachelor-Studium zu absolvieren, wäre der Weg für mich hier dann auch zu Ende – erst recht, wenn ich beispielsweise davon höre, dass etwa eine Chemikerin, die nach dem Studium in der Bundeswehr-Verwaltung gearbeitet hat, ihr Fach umstandslos anerkannt bekommt.“
Das Land habe eine große Schwäche, wenn es derart theoretisierend nur auf die Fächer blicke. „Und so oft der Lehrermangel beklagt und um Seiteneinsteiger geworben wird: Wenn es derart unplausibel und im Grunde ja auch ungerecht zugeht, braucht sich das Landesschulamt nicht wundern, wenn selbst bereits pädagogisch geschulte Kräfte vom Quereinstieg Abstand nehmen oder nach zwei Jahren wieder in die Wirtschaft zurückwechseln“, verschafft sie sich Luft.
Eine Krux nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Seiteneinsteiger regelmäßig Kompetenzen und inhaltliche Aspekte in die Schulen hineintragen, die bei jenen, die den „klassischen“ Weg in den Lehrerberuf genommen haben, nicht so verbreitet oder ausgeprägt sind – wie eben etwa das Thema Berufsorientierung, dem sich Antje Eichel-Zenthöfer naheliegenderweise nun auch an „ihrer“ Eilslebener Gemeinschaftsschule widmet. Und auch „atmosphärisch“ könnten von den Quereinsteigern wichtige Impulse ausgehen. Sie als einstige Handball-Leistungssportlerin habe zum Beispiel erst ihren Umgang mit der „Nichtleistungsbereitschaft“ und der Ist-doch-egal-Haltung einiger Schüler finden müssen. „Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass die Kinder es einem – jedenfalls auf lange Sicht – doch danken, gefordert zu werden und Grenzen gesetzt zu bekommen, bin ich auch ausgesprochen konsequent, um nicht zu sagen: streng. Erfreulicherweise ziehen die Kollegen mit, haben wir hier seit dem zweiten Halbjahr einen Maßnahmenkatalog für Ordnungs- und Erziehungsmittel“ schildert Antje Eichel-Zenthöfer.
Was sie nun eigentlich ganz persönlich zum Seiteneinstieg oder in ihrem Fall, wenn man so will, zu dem um zwei Jahrzehnte „verspäteten“ Einritt in den Lehrerberuf bewogen hat? „Ich habe durch meine Kinder mitbekommen, welche problematischen Konsequenzen der Lehrermangel nach sich zieht, und wollte zur Verbesserung der Situation beitragen. Zudem erlebe ich es als wohltuend, einmal nicht dem permanenten ökonomischen Druck der freien Wirtschaft mit dem ,Höher, schneller, weiter!‘ von Quartalszahlen zu Quartalszahlen ausgesetzt zu sein. Schließlich, so pathetisch es sich anhören mag, treibt mich auch folgendes: Ich hatte wahnsinnig Glück mit meinem Elternhaus und eine so schöne Kindheit, dass ich ein Bedürfnis verspüre, etwas an jene weiterzugeben, die es vielleicht nicht so gut haben“, sagt sie. Jetzt müsse man sie „bloß“ noch dauerhaft machen lassen...