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Eindruck zur #AktionswocheWissenschaft in Halle (Saale)

Arbeitskampf im Elfenbeinturm?

Sven Jaros & Katharina Eger blicken stellvertretend für ihre Arbeitsgruppe der Martin-Luther-Universität auf die von ihnen organisierten Aktivitäten im Zuge der bundesweiten Aktionswoche Wissenschaft zurück.

Es dürfte wohl spätestens seit #IchBinHanna hinlänglich bekannt sein, dass die Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen alles andere als ideal sind. Wer sich von unbezahlter Mehrarbeit, geringer Familienfreundlichkeit und Kettenbefristung nicht abschrecken lässt, fliegt oftmals in der Mitte des Arbeitslebens aus dem System. Das im internationalen Vergleich einzigartige (und möglicherweise europarechtswidrige) Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) steht deshalb seit Langem in der Kritik. Spätestens nachdem das BMBF im März den Referentenentwurf zur Novellierung des Gesetzes „zurück in die Montagehalle“ geschickt hatte, wurde es Zeit, den Protest an die Hochschulen zu verlagern. Das „Netzwerk gute Arbeit in der Wissenschaft“ (NGAWiss) hatte daher für die Woche vom 12. bis 16. Juni eine bundesweite Aktionswoche angekündigt, die von lokalen Gruppen als Rahmen für eigene Veranstaltungen genutzt werden konnte.

An der Universität Halle fand sich schnell eine Gruppe aus Mitgliedern des Mittelbaus am Institut für Geschichte zusammen, um eigene Veranstaltungen im Rahmen der Aktionswoche zu organisieren. Beinahe ebenso schnell gelang es der Arbeitsgruppe, Vertreter*innen unterschiedlicher Interessengruppen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam das bundesweit wohl dichteste und vielfältigste Programm auf die Beine zu stellen. Dabei konnte auf die Erfahrung und vor allem die tatkräftige Unterstützung der GEW, dem Studierendenrat und den Institutsgruppen des Instituts für Geschichte und Geographie zurückgegriffen werden.

Die Aktionswoche sollte genutzt werden, den bundesweit in verschiedenen Netzwerken und lokalen Bündnissen organisierten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen im akademischen Mittelbau eine Plattform zu bieten, in einen fruchtbaren Austausch zu treten und Energien zu bündeln. Daraus entstand auch das Hallenser Motto der Aktionswoche „Informieren – Diskutieren – Vernetzen“. Dieses wurde durch Vorträge, zwei Aktionscafés, einer außerordentlichen Personalversammlung und schließlich mit einer Podiumsdiskussion mit Leben gefüllt. Den Auftakt machte der Kollege Erik Wolf (Hauptamtlich bei ver.di), der die Geschichte und Probleme des WissZeitVG vorstellte und dabei gleichzeitig Kritik an dem neuen Referentenentwurf des Bundesministeriums vorbrachte. In der Podiumsdiskussion, die von Nico Elste (GEW) geleitet wurde und an der neben Vertreter*innen von MLUnterfinanziert und TVStud auch die Juristin Katja Nebe (MLU) und Gleichstellungsbeauftragten Franziska Appel (Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien) teilnahmen, wurden neben den rechtlichen Rahmenbedingungen auch deren Auswirkungen auf die lokale Strukturdebatte an der MLU thematisiert. Die Buchvorstellung von Lena Eckert (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder) zu Mutterschaft und Wissenschaft sowie die Vorträge zu den Studien zu Arbeitsbedingungen studentischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen von Tilman Reitz (NGAWiss, Universität Jena) und Marvin Hopp (TVStud, Universität Göttingen) lieferten empirische Perspektiven auf die vielfältigen Auswirkungen befristeter Beschäftigung. Außerdem boten sowohl MLUnterfinanziert als auch die Hallenser Promovierendenvertretung über Vorträge die Möglichkeit, sich mit ihnen über die aktuelle Situation zu informieren. Bei den beiden Aktionscafés konnten Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Professor*innen mit den einzelnen Initiativen vertraut machen und darüber hinaus in spielerischem Austausch über die Arbeitsbedingungen an der MLU treten. Auf einem mit Kreide aufgezeichneten Spielfeld wurde „Hanna ärgere dich nicht“ gespielt. In Verbindung mit Aktionsfeldern wurden die Höhen und Tiefen des Wissenschaftsbetriebs somit erfahrbar gemacht.

Im Lauf der Woche wurden Möglichkeiten geschaffen, um status- und interessengruppenübergreifend ins Gespräch zu kommen, die Sichtbarkeit der jeweiligen Perspektiven auf die Arbeit in der Wissenschaft zu erhöhen und vor allem, um Aktive aus den unterschiedlichen Gruppen zu mobilisieren und miteinander zu vernetzen. Letzteres ist auch gerade angesichts der zum Teil ausbaufähigen Resonanz einzelner Veranstaltungen wohl eine der wichtigsten Ergebnisse der Aktionswoche.

Im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen – das hat sich in den Gesprächen gezeigt – muss der universitäre Mittelbau aus dem Einzelkämpfermodus herausfinden. Wenn die nächste Fassung des WissZeitVG verhandelt bzw. auch für die TVStud-Kampagne im Rahmen der kommenden Tarifverhandlungen die heiße Phase eingeleitet wird, muss bereits deutlich sein, dass eine noch stärkere Prekarisierung von keinem der Beteiligten hingenommen werden wird. Dafür war die bundesweite Aktionswoche ein guter Auftakt, auf den nun weitere gemeinsame Aktionen folgen müssen.

Die Arbeitsgruppe an der MLU bilden neben anderen: Katharina Eger, Sven Jaros, Katja Liebing, Hanna Nüllen, Kay Schmücking und Claudia Wittig. Erreichen könnt ihr sie stellvertretend unter folgender Mailadresse: sven.jaros(at)geschichte.uni-halle(dot)de