GEWagt gefragt
„Bildung muss wieder ein Wert sein“
Lehrer, Trainer, Aktivist: Harald Mehle blickt auf nunmehr 71 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft zurück und engagiert sich nicht nur für Bildung, sondern auch für die Colbitz-Letzlinger Heide.
Wer bist du?
Mein Name ist Harald Mehle. Ich wurde am 13. Januar 1939 in Schlesien geboren. Mit 14 Jahren, also 1953, begann ich eine Baulehre zum Maurer und bin gleich im September mit Lehrbeginn in die IG BAU eingetreten. Allerdings wurden damals Lehrer dringend gesucht. In einem Vorkurs für das Pädagogische Institut Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) haben wir das Abitur nachgeholt und vier Jahre Lehrer für Sport und Einführung in die sozialistische Produktion studiert. Als ich dann 1961 Lehrer war, bin ich in die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung übergewechselt. Meine ersten Jahre als Pädagoge habe ich an der polytechnischen Oberschule (POS) Grieben, heute Kreis Stendal, absolviert. Ab 1964 konnte ich dann als Leichtathletiktrainer an der Kinder- und Jugendsportschule Halberstadt arbeiten. In dieser Zeit lernte ich auch meine Frau kennen, die Lehrerin für Deutsch und Russisch war.
Als man uns in Grieben eine Wohnung – die waren damals sehr knapp – in Aussicht stellte, sind wir beide zurück in die Altmark gegangen. Da blieb ich an der POS bis zur Wende. Nach der Umgestaltung des gesamten Bildungswesens im Osten kam ich an das Gymnasium Tangerhütte. Da gerade hier im Osten Lehrerstellen abgebaut werden mussten, habe ich 1999 von der Vorruhestandsregelung Gebrauch gemacht und bin aus dem öffentlichen Bildungswesen ausgeschieden. Doch damit war für mich noch nicht Schluss: Das Privatgymnasium Tangermünde hatte keinen Sportlehrer und da habe ich noch einmal 18 Monate drangehängt. Meine Leichtathletik-Sportgruppe am Gymnasium Tangerhütte habe ich sogar bis zur Schließung dieser Schule 2007 weiter trainiert. Ich habe zwei Kinder und neben dem Sport betreibe ich auch noch Numismatik als Hobby.
Wie bist du zur GEW gekommen?
Die DDR-Gewerkschaft Unterricht und Erziehung hat sich ja Ende Oktober 1990 aufgelöst. Für mich war klar, dass gerade in dieser Umbruchzeit eine Interessenvertretung für Lehrkräfte unerlässlich war. So bin ich im Juni 1991 in die GEW eingetreten.
Wo wärst du gerne in einer Führungsposition? Und was würdest du dann sofort ändern?
Ich hatte nie Ambitionen, in einer Führungsposition zu sein. Das heißt nicht, ich wäre politisch inaktiv. Ich bin SPD-Mitglied. Aber noch mehr engagiere ich mich für die friedliche Nutzung der Colbitz- Letzlinger Heide. Es gibt keine Aktion da, an der ich mich nicht beteilige. Die Heide soll Natur sein! Früher haben die Russen dort die Heide abgebrannt, um gute Sicht für das Übungsschießen zu haben. Da war schlimm. Aber die Heide ist nachgewachsen. Noch schlimmer ist, was heute gemacht wird. Es werden für Laser-Schießübungen die Bäume gerodet. Die wachsen nicht nach. Außerdem ist unter der Heide ein riesiges Trinkwasserreservoir, das auf keinen Fall verunreinigt werden darf. Wenn ich also die Macht dazu hätte, würde ich diesen Truppenübungsplatz sofort schließen und die Heide auf der Stelle der Natur zurückgeben.
Was wünscht du dir von deiner GEW?
Ich wünschte, die GEW könnte mehr Einfluss auf die Gestaltung des gesamten Bildungssystems nehmen. Vor allem darauf, dass Werte wie Respekt und Disziplin wieder eine Rolle spielen. Die kommen heute nicht mehr vor. Meiner Erfahrung nach sind das aber sehr wichtige Voraussetzungen für den Schulerfolg. Den sehe ich immer mehr schwinden. Das fachliche Leistungsniveau am Ende der Schulzeit ist weit gesunken im Vergleich zu meiner aktiven Zeit. Da muss sich etwas ändern und es wäre gut, wenn die GEW darauf positiv Einfluss nehmen könnte. Bildung muss wieder ein Wert sein!
Wo siehst du die GEW in zehn Jahren?
Die GEW wird es auch dann noch geben, weil sie gebraucht wird. Davon bin ich fest überzeugt.