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Kommentar

Bildungsland Sachsen-Anhalt – Quo vadis?

Wenn man live erlebt, wie es in der Bildungslandschaft Sachsen-Anhalts zugeht, fällt es schwer, den Optimismus zu bewahren. Ich betrachte einmal nur die Entwicklung der letzten sechs Monate.

Jedes mittelständische Unternehmen wäre schon längst insolvent, wenn es Führungspositionen nach Parteibuch und nicht nach Eignung vergeben würde. Die öffentliche Hand kann sich diesen Luxus jedoch leisten. Die CDU in Thüringen hat in einem in Auftrag gegebenen Gutachten gerade veröffentlicht, dass die bestehende Vergabepraxis auf Leitungsebene der Politik nach Parteibuch und nicht nach dem Leistungsprinzip schweren Schaden für das Land hervorruft. Diese Weisheit wünscht man der hiesigen CDU auch. Denn auch das Land Sachsen-Anhalt kann mit solchen Beispielen dienen. Als 2016 der damalige Chef des Landesschulamtes Torsten Klieme mit dem SPD-Parteibuch in der Tasche trotz guter Arbeit abberufen wurde, wusste man, was die Stunde geschlagen hat. Aber auch die Vorfälle der letzten Wochen liefern hausgemachte Beispiele im Bildungsministerium, die in der Öffentlichkeit ein schlechtes Bild zeichneten. Es zeigt sich, dass das bewusste Lancieren von Stellen auf einzelne Bewerber nicht unbemerkt bleibt und das ist auch gut so. Wer von Schüler*innen und Lehrer*innen das Lernen und Arbeiten nach dem Leistungsprinzip erwartet, der sollte dies auch selbst vorleben.

Wertschätzender Umgang:

Wer den sucht, findet in der Schullandschaft Sachsen-Anhalts nichts. In der Coronazeit hatte es den Anschein, als würde man erkennen, welche Arbeit tausende Beschäftigte an den Schulen des Landes täglich leisten. Doch all dies erwies sich als hohles Geschwätz. Verstanden hat man es bis heute nicht.
 

Vorgriffstunde

Spätestens mit dem Bildungsgipfel deckte man die Karten vollends auf. Eine Stunde mehr wurde den Lehrkräften aufgebürdet und das alles ohne jegliches konstruktive Gespräch, ohne Abwägen von Für und Wider, ohne Gespräche über Ausnahmen, über Ansparszenarien – schlichtweg ohne demokratisches Handeln! Das sorgt in den Lehrerzimmern landauf und landab für viel Verärgerung.

Mit der Einführung brach dann das organisatorische Chaos aus. Es zeigte sich, dass die Verwaltung von dieser Stunde völlig überrascht und nicht vorbereitet war. Bis zu den Sommerferien bekam man trotz fleißigen Agierens die Erlasslage nicht in den Griff. Und obwohl Insider vor der monatlichen Auszahlung warnten und wussten, dass man dies organisatorisch nicht in den Griff bekommen kann, wurde es versprochen. Doch schon Adenauer sagte einmal: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Und so verabschiedete man die Lehrkräfte mit der Botschaft in die Sommerferien: „Es wird nur jährlich ausgezahlt.“
 

Altersermäßigung

Während die Lehrkräfte in Mecklenburg in einer Staffelung von 57 Jahren (eine Stunde, ab dem 60. Lebensjahr zwei Stunden und dem 63. Lebensjahr drei Stunden) eine Altersanrechnung bekommen, haut man auf das Personal in Sachsen-Anhalt kräftig drauf. Nicht nur, dass diese Stunden auf das 62. Lebensjahr verschoben wurden. Nein, wie zum Hohn arbeiten die Beschäftigten bis zum 62. Lebensjahr auch noch eine Vorgriffstunde mehr! Vielleicht verlassen deshalb mehr als 50 Prozent der 63-jährigen Lehrkräfte den Schuldienst. Alle farbigen Flyer und Appelle laufen ins Leere. Attraktive und alternsgerechte Arbeitsbedingungen sehen anders aus!
 

A 13/E 13 für Grundschullehrkräfte

Tausende Grundschullehrkräfte freuen sich über den Spatzen in der Hand und erwarten auf dem Weg zu A 13/E 13 die Zulage von monatlich 200 Euro. Doch es gibt auch betrübte Gesichter. Seiteneinsteigende und Lehramtsanwärter wurden von der Politik völlig vergessen. Alle besoldungsrechtlichen Regeln könnten sofort so geändert werden, dass dieser Personenkreis davon auch partizipiert. Höchste Zeit, dass die Politiker*innen der Landesregierung dies erkennen und ändern!
 

Seiteneinsteigende

Angesichts einer völlig verfehlten Personalpolitik der letzten 15 Jahre benötigen wir sie dringend, die Seiteneinsteigenden! Doch weit her scheint es mit dem „wir benötigen sie…“ nicht zu sein. Mehr als ein Drittel von ihnen ist im ersten Jahr wieder weg. Es zeigt sich, dass die bisherigen Instrumente, sie zu integrieren, nicht ausreichen.

Von Null auf Hundert in die Schule geworfen, oftmals leider ohne geplantes Mentoring, nicht selten als Klassenlehrer(in), häufig in völlig fachfremden Fächern unterrichtend tätig, um Anerkennung der eingebrachten Fächer kämpfend… – All dies sorgt für viel Ärger und führt oft auch zu Überforderung. Wie es anders gestaltet werden könnte? Auch darüber sollten sich Vertreter*innen des Ministeriums einmal mit Gewerkschaften und Verbänden auf einem echten Bildungsgipfel austauschen!
 

Lehrermangel: Krisenbewältigung

Es zeigt sich, dass die bisherigen Instrumente der Krisenbewältigung nicht ausreichend sind. Stellenweise werden Löcher gestopft, neue Wege beschritten, um dann anderenorts vor einem erneuten Scherbenhaufen zu stehen. Ich könnte jetzt auf GEW-Papiere mit Lösungsansätzen der letzten Jahre verweisen und, und, und…

Doch diese Ansätze sind in einer Atmosphäre, in der ein abgestimmtes Agieren von Gewerkschaften und Verbänden mit den Regierenden seit Jahren sehr schwer erscheint, leider nicht zielführend. Sie werden schlichtweg ignoriert.

Die Ministerin ist an dieser Stelle gefragt, den gordischen Knoten zu zerschlagen. Ein tatsächlicher Bildungsgipfel mit einer Analyse von Best-Practice-Beispielen anderer Bundesländer, mit Vorschlägen von Parteien, des Landesschulbeirates sowie der Gewerkschaften und Verbände – und zwar ohne Scheuklappen – tut not. Alles wird auf den Tisch gepackt und in ein Aktionspapier gegossen. Der Karren ist so tief im Dreck versunken, dass wir ihn im Interesse der Kinder, Eltern und Beschäftigten nur gemeinsam herausbekommen.

Kontakt
Ingo Doßmann
Vorstandsmitglied für Allgemeinbildende Schulen