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Kinder- und Jugendliteratur-Tipp

City of Trees

Die jugendliche Lindiwe lebt in Berlin – ihre Wurzeln reichen aber nach Südafrika. Vor drei Jahren verschwand ihre Schwester Khanyi im nahegelegenen Wald. Lindiwe versucht dem Rätsel auf die Spur zu kommen – und entdeckt etwas viel Größeres. Gemeinsam mit ihrer südafrikanischen Cousine Unathi ist Lindiwe dem Rätsel vom Verschwinden ihrer Schwester auf der Spur – aber nicht nur das.

Es scheinen noch andere Leerstellen in der Familiengeschichte zu liegen und auch sie selbst wird zunehmend zum Rätsel, denn ein seltsamer Virus scheint von ihr Besitz zu ergreifen. Moos wächst auf ihrer Wange und zunehmend entwickelt sie weitere botanische Eigenschaften. Und der nahegelegene Wald scheint nicht nur wegen ihrer Schwester eine besondere Faszination auf sie auszuüben. Auch sie sucht dort zunehmend sich selbst und flüchtet aus einem ihr immer fremder werdenden Umfeld. Und das geht offenkundig nicht nur ihr so – auf der ganzen Welt befällt eine unerklärliche Veränderung Jugendliche, so dass die gerade überwunden geglaubten Einschränkungen der Corona-Pandemie wieder zurückzukehren scheinen. Doch es ist diesmal etwas ganz anderes. Jugendliche suchen neue Wege des Zusammenlebens, des Liebens und des Verstehens – und sie tun dies in einem radikalen Bruch mit den Konventionen der herkömmlichen Menschheit, die sich eher von der Natur wegbewegt und sich aus ihr heraus kultiviert hat. Hier überschreitet die Erzählung unsere Vorstellungen realistischer Weltbedingungen und wird zu einer ganz und gar utopischen Geschichte.

Chantal-Fleur Sandjon verbindet Motive des realistischen Coming-of-Age-Jugendromans mit Future Fiction und afrikanischer Mythologie. So wie ihre Protagonistin eine hybride Existenz aus ganz verschiedenen Einflüssen ist, so lässt sie sie auch auf der Ebene der Handlung zunehmend hybridisieren. Damit setzt sie eindrucksvoll ins Bild, wie sich da wachsende Selbst-Bewusstsein der Jugendlichen (und auch einer ganzen Generation) auf ihr ganzes Dasein ausbreiten kann. Mit verstörender Konsequenz und doch wundersam-einladendem Grundton wird diese Geschichte an einer stetig changierenden Grenze von epischer und lyrischer Sprache vielstimmig erzählt.

Ein komplexes und meisterhaft erzähltes Buch und eine eindrückliche Geschichte, die gerade wegen ihrer fantastischen Substanz so authentisch und anrührend wirkt – nachdrücklich zu empfehlen!

Chantal-Fleur Sandjon: City of Trees; Stuttgart: Thienemann, 2024; ISBN: 978-3-522-20287-9; Preis: 20,00 €, 400 Seiten; Altersempfehlung: ab 14 Jahre