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Ergebnis der IFS-Schulpanelstudie 2016-2021

Coronapandemie hat Lesekompetenz von Viertklässlern vermindert

Schulschließungen und der häufige Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht in der Coronapandemie haben offenbar auch dazu geführt, dass Grundschülerinnen und -schüler schlechter lesen können.

Nach mehr als einem Jahr pandemiebedingter Einschränkungen des Unterrichts haben sich die Lesefähigkeiten von Viertklässlerinnen und Viertklässlern alarmierend verschlechtert. „Drückt man es in Lernjahren aus, fehlt den Kindern im Durchschnitt etwa ein halbes Lernjahr“, sagte der Co-Leiter der Studie „Die COVID-19 Pandemie und Lesekompetenz von Viertklässler*innen: Ergebnisse der IFS-Schulpanelstudie 2016-2021“, Ulrich Ludewig. Die Lesekompetenz ist demnach im Jahr 2021 mit 980 Punkten im Mittel geringer als noch 2016 mit 1.000 Punkten. Die GEW fordert mehr individuelle Förderung, Investitionen in Grundschulen und gezielte Programme zur individuellen Leseförderung.

Das Forschungsteam am Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund untersuchte erstmalig anhand repräsentativer Daten von rund 4.000 Kindern an 111 Grundschulen und mit Hilfe der IGLU-Tests, wie sich die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern in der vierten Klasse im Jahr 2021 von der Lesekompetenz Gleichaltriger vor der Pandemie unterscheidet.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil an Grundschülerinnen und -schülern, die gut bis sehr gut lesen können, im Vergleich zum Jahr 2016 um rund sieben Prozent auf 37 Prozent gesunken ist. Der Anteil derjenigen, die Probleme mit dem Lesen und dem Textverständnis haben, nahm dagegen um sechs Prozent auf insgesamt 28 Prozent zu. „Da Lesen eine zentrale Kompetenz darstellt, hat dieses Ergebnis auch Auswirkungen auf alle anderen Schulfächer“, betonte die Studienleiterin Prof. Nele McElvany.

Die GEW nannte die im Verlauf der Corona-Pandemie sinkende Lesekompetenz erschreckend, aber nicht unerwartet: „Die Grundschulen sind seit langer Zeit unterfinanziert“, kritisierte das GEW-Vorstandsmitglied Schule, Anja Bensinger-Stolze. Neben mehr Personal seien Leseförderprogramme insbesondere für benachteiligte Kinder, ein Ausbau der Schulbibliotheken sowie Leseförderkonzepte schon in der Ausbildung der Lehrkräfte erforderlich.

Lehrkräftemangel beseitigen

Statt fragwürdige Lese- und Diagnosesoftware an Schulen einzusetzen, forderte die Expertin, höchste Priorität auf die pädagogische Beziehung zwischen Lehrkräften und Kindern zu legen sowie Lernfreude und Leselust bei Schülerinnen und Schülern zu fördern. „Wir brauchen ausreichend viele sowie gut aus- und fortgebildete Lehrkräfte, die auf das Lernen unter erschwerten, sozialen Bedingungen vorbereitet sind und mit heterogenen Lerngruppen arbeiten können.“ Um effektiv gegen den Lehr- und Fachkräftemangel an den Grundschulen vorzugehen, werde ein „Masterplan Lehrkräfte-Nachwuchs“ gebraucht.

Kompetenzniveau aller Gruppen gesunken

Weitere Ergebnisse der Studie: Mädchen sind im Lesen im Mittel zwar weiter stärker als Jungen, allerdings sank auch bei ihnen das durchschnittliche Niveau. Kinder aus Familien mit mehr als 100 Büchern zu Hause können nach wie vor besser lesen als solche mit weniger Büchern, verschlechterten sich im Vergleich zu 2016 aber ebenfalls.

Kinder mit schlechten häuslichen Rahmenbedingungen zum Lernen verlieren den Angaben zufolge allerdings im Schnitt mit 27 Punkten mehr als Kinder mit guten Rahmenbedingungen (16 Punkte). Auch die Lesekompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund litt im Mittel tendenziell stärker unter der Pandemie als die von in Deutschland geborenen Schülerinnen und Schülern.

Wie die GEW verlangt auch das Dortmunder Forscherinnen- und Forscherteam umfassende und wirksame Unterstützungs- und Förderangebote. „Die hier untersuchten Kinder besuchen aktuell die fünfte Klassenstufe – neben den Grundschulen müssen für die Leseförderung also auch die weiterführenden Schulen systematisch mitgedacht werden“, sagte McElvany.