Stellungnahmen zum Bildungsgipfel
DGB und DIE LINKE kritisieren angekündigte Mehrstunden und vage Versprechungen
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat bei einem „Bildungsgipfel“ Anfang Januar angekündigt, dass alle Lehrkräfte im Land eine zusätzliche Unterrichtsstunde abzuleisten haben. Der DGB und DIE LINKE haben deutliche Kritik an diesem Vorschlag geäußert.
DGB hält Arbeitszeiterhöhung für unverantwortlich
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat am 19. Januar beim Bildungspolitischen Dialog Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtssituation in den Schulen des Landes verabredet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen-Anhalt hält die Maßnahmen insgesamt für unzureichend, um die Lern- und Lehrbedingungen an den Schulen perspektivisch zu verbessern. In einer Pressemitteilung vom 20. Januar kritisiert DGB-Landesleiterin Susanne Wiedemeyer die geplante Anhebung der Wochenarbeitszeit scharf:
„Mit der Erhöhung der Arbeitszeit steigt die Belastung der vorhandenen Lehrkräfte, die das System derzeit unter großen Anstrengungen am Laufen halten. Bereits heute stellen Lehrerinnen und Lehrer die größte Gruppe an Langzeiterkrankten im Landesdienst dar. Die Mehrheit aller Lehrenden ergreift die erste Chance, um altersbedingt aus dem Dienst auszuscheiden. Statt nachhaltige Perspektiven für mehr Personal und besseren Arbeitsbedingungen aufzuzeigen, wird der Druck auf die vorhandenen Lehrkräfte abgewälzt. Das ist unverantwortlich.“
Um die Unterrichtsversorgung in den Griff zu bekommen, müssen die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten künftig besser ausgeschöpft werden. Dazu gehöre laut DGB neben einer Senkung der Abbruchquoten in den Lehramtsstudiengängen auch eine stärkere Motivation von jungen Menschen für ein Lehramtsstudium: „Mit der Abschaffung des Numerus Clausus als Zugangsbeschränkung können wieder mehr Menschen für das Lehramtsstudium zugelassen werden“, so die Gewerkschafterin. Gleichzeitig müssen laut Wiedemeyer junge Menschen bereits während des Studiums verbindliche Angebote für eine spätere Lehrtätigkeit in Sachsen-Anhalt erhalten. Darüber hinaus appelliert der DGB an die Landesregierung, zügig einen verbindlichen Zeitplan für die Anpassung der Besoldungsstufen für Grundschullehrkräfte aufzustellen, um im Wettbewerb um Lehrkräfte nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Seiteneinsteiger*innen brauchen strukturierte Unterstützung und realistische Perspektiven, um als vollwertig anerkannte Lehrkraft unterrichten zu dürfen. Dazu müssten Genehmigungs- und Anerkennungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Gleichzeitig müssen Akteure der Schulverwaltungsassistenz, Schulsozialarbeit, Digitalassistenz, Netzwerkadministration und pädagogischen Mitarbeit gestärkt und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden, damit sich Lehrerinnen und Lehrer wieder stärker auf ihre Kernaufgabe, Bildung zu vermitteln, konzentrieren können.
DIE LINKE konstatiert: Krisenbewältigung auf dem Rücken der Lehrkräfte
Noch am selben Abend des Bildungsgipfels meldete sich auch DIE LINKE per Pressemitteilung zu Wort. Der vom Ministerpräsidenten einberufene Schulgipfel zur Bewältigung des Lehrkräftemangels habe desaströse Ergebnisse hervorgebracht. Von einem Dialog konnte keine Rede sein und die ohne schriftliche Vorlage präsentierten Vorschläge zeigen einmal mehr die Rücksichtslosigkeit und das Unverständnis der Landesregierung gegenüber den Lehrkräften und ihren Belastungen im gegenwärtigen Schulalltag. Statt Vorschläge aufzugreifen, wie sie im Not-Appell der Stadt Magdeburg, dem Weckruf des Bündnisses „Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben!“ oder im Masterplan der Fraktion DIE LINKE im Landtag umfangreich entwickelt wurden, wird der Weg des scheinbar geringsten Widerstandes gegangen. Alle Lehrkräfte sollen zwangsweise Überstunden leisten, egal ob sie dazu überhaupt in der Lage sind. Dazu erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher, Thomas Lippmann:
„Man hätte es nicht schlimmer voraussagen können – die Verordnung von zwangsweisen Überstunden für alle Lehrkräfte ist wirklich der Gipfel der Rücksichtslosigkeit gegenüber jenen, die seit Jahren das sinkende Schiff noch über Wasser halten. Dafür großspurig einen Schulgipfel einzuberufen, um sich für einen solchen Affront gegenüber den Lehrkräften eine Legitimation zu holen, ist keine verantwortungsvolle Bildungspolitik, sondern kurzatmige Krisenbewältigung auf dem Rücken der Lehrkräfte. […] Es ist abzusehen, wo diese Stunden landen werden – nicht vor der Klasse im Unterricht, sondern auf dem Krankenschein! Statt dass die Landesregierung ein Signal der Hoffnung und Entspannung aussendet, wird der Frust und die Resignation in den Lehrerzimmern zunehmen. Ein politisches Versagen auf der ganzen Linie! Auch alle anderen Vorschläge bleiben vage und diffus. Sie können die schlechte Nachricht dieses Tages in keiner Weise kompensieren. Vielleicht kommt irgendwie die A 13/E 13 für die Grundschullehrkräfte, vielleicht ergibt sich eine Variante, Horterzieher*innen als Lückenfüller in den Grundschulen zu gewinnen, vielleicht gelingt es, ein paar mehr Lehramtsstudenten an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg in zusätzlichen Fächerkombinationen zu gewinnen. Gemessen an den Problemen, die das Land schon hat und in Zukunft noch haben wird, sind diese Vorschläge weiter völlig unzureichend. Sie werden die bestehenden Defizite nicht beseitigen und das tatsächliche Unterrichtsangebot nicht dauerhaft verbessern. Es besteht sogar die Gefahr, dass der Abwärtstrend in der Lehrkräfteversorgung verstärkt wird, weil noch mehr Lehrkräfte als bisher prognostiziert den Schuldienst ausgebrannt, demotiviert und langzeiterkrankt vorzeitig verlassen. Der Schulgipfel markiert einen schlechten Tag für das Schulwesen in unserem Land! Eine verpasste Chance, die noch lange Nachwirkungen haben wird.“