Meinung
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Weiter heißt es im Artikel 1 unseres Grundgesetzes: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Was mag sich der ehemalige Landtagspräsident Detlef Gürth nur gedacht haben, als er in Folge des tödlichen Messerangriffes eines afghanischen Jugendlichen die markigen Sätze „Wir füttern sie durch und dann ermorden sie Menschen“ sowie „Dieses Pack muss raus aus Deutschland“ forderte. Dabei kann Herr Gürth nicht bereits vergessen haben, wie das Problem afghanischer Flüchtlinge überhaupt entstanden ist. Daran hat Deutschland von 2002, als der damalige Verteidigungsminister Peter Struck unsere Sicherheit am Hindukusch für 19 Jahre mit einem Aufwand von über 12 Mrd. € und 59 toten deutschen Soldaten verteidigen ließ, kräftig mitgewirkt. Denn die Verteidigung unserer Sicherheit endete 2021 im Sommer abrupt in völligem Chaos. Afghanische Helfer des Westens, die für die nun herrschenden Taliban als Kollaborateure gelten, mussten um ihr Leben fürchten und ergriffen die Flucht. Folgerichtig suchten sie das Land auf, das sie einstmals unterstützt hatten und jetzt sind sie hier mit allen Problemen, die sich aus schleppender Integration ergeben.
Rechtsstaatlichkeit in einem demokratischen Land muss und wird keine Gewalt – egal, mit welchem Migrationshintergrund oder welcher Staatsbürgerschaft – dulden und tolerieren. Deutsche gehören genau- so für Gewaltverbrechen vor Gericht gestellt wie Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Würde zu wahren und zu fordern, bedeutet nicht, ohne Regeln in einem Land leben zu können, bedeutet nicht, ohne Strafe zu bleiben, bedeutet nicht, die Strafe nicht auch im Gefängnis verbüßen zu müssen. Es bedeutet auch nicht, ohne Ausweisung/Rückführung auskommen zu können. Wobei auch klar sein sollte, dass auf einen Kollaborateur in Afghanistan heute der Galgen wartet.
Das Markige an seinen Worten ist die Stigmatisierung einer ganzen Gruppe von Menschen. Reicht zukünftig die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus, um unter Generalverdacht gestellt zu werden? Wie gehe ich in meiner Schulklasse damit um, dass Kinder aus verschiedenen Nationen friedlich miteinander lernen, aber trotzdem Konflikte auf dem Schulhof haben – so wie gleichaltrige deutsche Kinder auch? Wie bewerte ich es in diesen Auseinandersetzungen, wenn Mitschüler äußern, dieses Pack muss raus? Es gibt Probleme an den Schulen des Landes bei der Migration. Das muss thematisiert werden. Dazu müssen Lösungskonzepte her und die Lehrkräfte dürfen damit nicht allein gelassen werden. Markige Worte jedenfalls sind keine Lösung.
Von einem Politiker mit dem Buchstaben C für christlich und seiner politischen Vita hätte man mehr erwarten müssen. Klare Vorschläge für eine gelingende Migrationspolitik, aber auch klare Ideen, wie wir mit Verweigerern verfahren sollten, wären zielführender als seine Äußerungen. Das Erschreckende dabei sind nicht die vielen wohl- wollenden Kommentare zu seinen Sätzen. Das war zu befürchten. Das Erschreckende war, dass es aus den Reihen seiner Parteikolleg*innen keine Äußerungen und schon gar keine Rüge gab. Diese Charakterlosigkeit in Masse hätte ich so nicht erwartet. Aussagen von Parteikolleg*innen in der Vergangenheit wie dem „Aussortieren von Arbeitsverweigerern“ oder die Betitelung der Grünen bei Twitter als „Ökofaschisten“ zeigen, dass man am rechten Rand der Gesellschaft fischen will.
Franz Josef Strauß schrieb einmal, „dass man dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden soll“. Leider sind Politiker*innen, die diese Weisheit beherrschen, heute sehr rar geworden.