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Ich bin die GEW

Doreen Pöschl: Mit feiner Antenne für Diskussionskultur

Die promovierte Kunsthistorikerin Doreen Pöschl engagiert sich im Bundesfachgruppenausschuss für Hochschule und Forschung der GEW. Von ihrer Gewerkschaft wünscht sich die Hallenserin ein stärkeres Reflektieren der eigenen Diskussionskultur.

Foto: Andreas Löffler

Unser Interview findet am halleschen Universitätsplatz statt, genauer gesagt im Löwengebäude in der Nähe des sogenannten Talarraums. Es lässt sich kaum vermeiden, dass einem dort die legendäre Parole „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ der Studentenbewegung in der alten Bundesrepublik Ende der 1960er-Jahre in den Sinn kommt. Und auch wenn hier um Himmels willen nicht der Hauch einer Parallele zu den damaligen Auseinandersetzungen gegen überholte, elitär-undemokratische Traditionslinien der Universitätspolitik suggeriert werden soll, tritt in dem sich entspinnenden hochinteressanten Gespräch mit unserer Protagonistin doch eines zutage: Auch Doreen Pöschl hinterfragt Strukturen, Hierarchien, Prozesse – die in ihrem beruflichen Umfeld an der Martin-Luther-Universität, aber auch jene in der GEW, die seit 2008 ihre Gewerkschaft ist.

Ihr gewerkschaftliches „Erweckungserlebnis“ hatte die heute 41-Jährige, die im Plattenbaugebiet Wolfen-Nord aufwuchs und nach dem Abitur ein Geschichts- und Kunstgeschichtsstudium in Halle aufnahm, 2004/2005 im Zuge der Protestaktionen gegen die beabsichtigte Kürzungswelle an der halleschen Alma Mater. „Nachdem ich dann, sicher auch dank des Impulses durch meinen bereits in der GEW aktiven Schwager, 2008 in die Gewerkschaft eingetreten war, habe ich mich nach Abschluss meines Studiums und mit Eintritt in die Promotionsphase auf die Stelle der Koordinatorin für die Studierendenarbeit bei der GEW Sachsen-Anhalt beworben. Diese über fünf, sechs Jahre währende Tätigkeit, für welche ich als Studentin angestellt war, hat mich in deren Strukturen ,reingezogen‘ – erst in den Stadtverband Halle, dann auch auf Bundesebene“, schildert Doreen Pöschl. Mal aus dem „Elfenbeinturm“ Studium und Universität rauszuschauen, mit anderen dringlichen Themen wie Tarifvertrag, Beschäftigungsbedingungen, sozialversicherungsrechtlichem Status & Co. in Berührung zu kommen, fand sie spannend.

„Wir waren eine aktive Gruppe von Studierenden in Halle, die später in der Jungen GEW aufging“, sagt Doreen Pöschl über diese Zeit, welche 2017 nicht zuletzt durch ein dreieinhalbjähriges berufliches Intermezzo in Magdeburg endete. An das Engagement vor Ort knüpft sie seit ihrer 2021 erfolgten Rückkehr nach Halle als Mitarbeiterin in der Zentralen Kustodie der MLU wieder an. „Einige Aktive von damals haben ihre Motivation in den Stadtverband Halle hineingetragen, sind dort inzwischen in verantwortlicher Funktion tätig.“

Foto: Andreas Löffler

Sie selbst sei ein Jahrzehnt lang im dreiköpfigen Leitungsteam des Bundesfachgruppenausschusses für Hochschule und Forschung der GEW aktiv gewesen. Ihr ganz spezieller Fokus galt eine Zeit lang den Belangen der Promovierenden und entsprechenden Informations- und Vernetzungsveranstaltungen. 2024 ist Doreen Pöschl, inzwischen Mutter eines Sohnes, aus dem Leitungsteam ausgeschieden. Sie bringt sich gemeinsam mit ihrer sachsen-anhaltischen Mitstreiterin Steffi Kaltenborn gleichwohl mit unvermindertem Engagement bei den drei- bis vierjährlichen Zusammenkünften ein. „Arbeitszeit und Tarifliches, die gesunde Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, dazu die Aspekte Gerechtigkeit und – zunehmend – Weltoffenheit an Hochschulen sind und bleiben die Hauptthemen, für die wir uns einsetzen.“

Ob ihr dieser kämpferische Zug schon immer eigen gewesen sei? Pöschl, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit einem Promotionsstipendium unterstützt wurde, schüttelt den Kopf. „Die Auseinandersetzung mit anderen Positionen habe ich vor allem durch mein Engagement in der GEW gelernt.“ Das schließe auch die Diskussionsprozesse innerhalb der Gewerkschaft mit ein, für die sie offensichtlich eine feine Antenne hat. „Wenn es bei bestimmten Punkten augenrollend-abwehrend heißt, das haben wir doch vor zehn Jahren schon diskutiert, habe ich eher den Gedanken: Darüber müssen wir weiterreden, wenn das wieder beziehungsweise immer noch Thema ist.“

 

„Arbeitszeit und Tarifliches, die gesunde Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, dazu die Aspekte Gerechtigkeit und – zunehmend – Weltoffenheit an Hochschulen sind und bleiben die Hauptthemen, für die wir uns einsetzen.„“

 

Doreen Pöschl wünscht sich, dass sich die GEW auch in ihrer eigenen Diskussions- und Streitkultur mehr reflektiert und hinterfragt. Auch stete Erneuerungen innerhalb der Gewerkschaftsvorstände durch andere, frische Blickwinkel und Herangehensweisen haben positive Effekte, vor allen Dingen wenn man an den „Generationswechsel“ denkt. Das Beispiel von Hamburg, wo das Bekleiden eines Amtes auf zwei Wahlperioden unmittelbar hintereinander begrenzt ist, hält sie da für einen guten Ansatz. „Und die GEW sollte ihren Weg zu mehr Familienfreundlichkeit unbedingt weiter gehen. Da ist schon vieles erreicht worden, was beispielsweise die Bezahlung von Babysittern oder auch von Unterkunft und Verpflegung für Begleitpersonen bei Treffen der Ehrenamtlichen insbesondere an Wochenenden angeht. Doch für die Hauptamtlichen gilt das nicht – meiner Ansicht nach ein Ungleichgewicht“, legt sie ihre Gedanken dar.

Warum sie sich auch als junge Mutter, die zudem im Beruf gefordert ist, dennoch weiterhin die Zeit für das Engagement abknapst? „Mal von den in der Sache erreichten Dingen abgesehen, werde ich durch die Begegnungen mit und das Kennenlernen von Menschen bereichert. Mit Hans-Dieter Klein, der mich als Gewerkschaftssekretär für den Bereich Hochschule während meiner Tätigkeit als Koordinatorin für die Studierendenarbeit betreute, verband mich eine Freundschaft. Daher war sein Tod für mich – wie für viele andere auch – sehr bewegend.“