Die GEW Sachsen-Anhalt ist eine wichtige politische Kraft
Eine starke Bildungsgewerkschaft für gute Beschäftigungsbedingungen
Traditionell nahm die Landesvorsitzende der GEW, Eva Gerth, zu Beginn das Wort zu ergänzenden Bemerkungen zum Geschäftsbericht des Landesvorstandes. In ihrer Rede würdigte sie die Ergebnisse der Arbeit des Landesverbandes seit 2014, benannte kommende Aufgaben und stellte politisch-aktuelle Bezüge zur Landespolitik her.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine starke Bildungsgewerkschaft für gute Beschäftigungsbedingungen, so habe ich meinen Geschäftsbericht überschrieben, daran will ich mich messen lassen. Maßstab für die Arbeit der GEW war – und bleibt – ein Beschluss der Delegierten der außerordentlichen Delegiertenkonferenz im September 2016, einen „Kodex für gute Arbeit in der Bildung in Sachsen-Anhalt“ zu vereinbaren. Jede bildungspolitische Frage ist daran zu messen, wie gut, zukunftsträchtig und tarifvertraglich abgesichert die Beschäftigungsverhältnisse derjenigen sind, die dort arbeiten. Die Aufgaben in Schule, Kita, Hochschule und Weiterbildungseinrichtung müssen vor allem auch personell gut abgesichert sein.
Es ist noch nicht gelungen, einen solchen Kodex zu vereinbaren. Und somit bleibt das der Prüfstein für unsere Arbeit. Wenn es um die Umsetzung der Aufgaben geht, da sind wir mittendrin. An Ideen mangelt es nicht, an Problemen, die den Bildungsbereich betreffen, ebenso nicht. Eines davon ist der Personalmangel in allen Bereichen, die die GEW vertritt.
Für 763 ausgeschriebene Stellen bis September 2018 gab es 559 Lehramtsbewerber*innen, 125 mit DDR-Ausbildung, 625 mit Hochschulausbildung ohne Lehramtsbefähigung. Insgesamt hat das Schulamt 1.423 Einstellungsangebote unterbreitet. 420 Kolleginnen und Kollegen haben die Stellen angenommen, davon 390 zum ersten Schultag. 227 Lehrkräfte blieben ohne Einstellungsangebot. Ca. 600 vollarbeitende Lehrkräfte fehlen bis zum Stellenziel der Landesregierung, ca. 450 Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls. Dazu kommt eine steigende Zahl von erkranktem Kolleginnen und Kollegen, und die, die in Elternzeit sind. Das offenbart unsere gesamte Misere. Es sind nicht die Zahlen der GEW, sondern die der Landesregierung bzw. des Bildungsministeriums, offengelegt in kleinen Anfragen. Die am 21. November bekannt gegebenen neuen Ausschreibungszahlen müssen erst einmal erfüllt werden.
Aus meiner Sicht macht dies zwei Dinge deutlich: Einerseits sind längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Lehrkräfte einzustellen und zu halten – da müssen wir immer wieder den Finger in die Wunde legen und mahnen. Andererseits dürfen wir nicht nachlassen, uns trotzdem um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an Schulen zu kümmern. Da wo Überlastungssituationen sind, müssen die Anrechnungen erhöht werden; wenn es vernünftig ist, Grund- und Leistungskurse an Gymnasien wieder einzuführen, dann muss ein gewisser Personalaufwuchs in Kauf genommen werden; wenn Seiteneinsteiger*innen studieren sollen, dann brauchen sie und ihre Mentor*innen dafür Abminderungsstunden; wenn die Lehrkräfte keine Zeit für Prävention haben, dann muss diese Zeit geschaffen werden. Unsere Anträge an die 8. LDK beschreiben diese Anforderungen.
Wie groß die Not bei der Unterrichtsversorgung ist, zeigt sich auch bei den jüngsten Entwicklungen zur Bezahlung der Überstunden der Lehrkräfte. Obwohl wir derzeit die Aussicht auf ein Wahlrecht zwischen Bezahlung und Freizeitausgleich haben und die Landesregierung wohl inzwischen auch begriffen hat – auch durch die schnelle Intervention der GEW –, dass sie den wahren Wert einer Unterrichtstunde bezahlen muss, sind wir hier noch längst nicht am Ende mit unserer Arbeit. Alles das, auch Arbeitszeitkonten, wenn wir sie bekämen, sind ein Entgegenkommen von Beschäftigten und verbeamteten Kolleginnen und Kollegen gegenüber ihrem Arbeitgeber. Da darf es erlaubt sein, nach dem Entgegenkommen der Arbeitgeber/des Dienstherrn zu fragen. Wir müssen über die Absenkung der Arbeitszeit für Lehrkräfte reden, jetzt können wir Druck machen.
Doch nicht nur in den Schulen zeigt sich die Personalnot. An Hochschulen gibt es immer weniger Festangestellte, nicht nur Kolleginnen und Kollegen, die promovieren, auch gestandene Kolleginnen und Kollegen Wissenschaftler*innen haben prekäre Stellen, befristet, in Teilzeit, dafür aber mit erhöhten Arbeitsaufgaben. Familie ist da offensichtlich nicht vorgesehen. Da, wo der Bedarf groß ist, bei der Lehrer*innenbildung, werden Stellen geschaffen, die meisten aber auch hier nur befristet.
Und ein weiteres Bespiel: Die GEW ist seit Kurzem Mitwirkende in der Landesinitiative „Alphabetisierung und Grundbildung“. Die Bedeutung von Grundbildung wurde in den Reden, auch vom Ministerpräsidenten, unterstrichen. Natürlich, es hat mit Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu tun. Bei der anschließenden Analyse der Situation der Betroffenen kommt nebenher zum Ausdruck, dass 90 Prozent derer, die in den entsprechenden Projekten für die Grundbildung arbeiten, prekär beschäftigt sind. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für die GEW, das kann uns nicht kaltlassen.
Ein Beispiel für viel Arbeit in den vergangenen Jahren, für viel Druck der Bildungsgewerkschaft und auch für gelungene Bündnisse ist für mich die bundesweite GEW-Kampagne für die Bezahlung mit A13/E13 in allen Schulformen.
Wir haben früh angefangen – schon in den 90er Jahren –, uns für die 13 auf dem Gehaltszettel stark zu machen und auch erste Erfolge erzielt. Im vergangenen Jahr gab es weitere Erfolge: Ich meine die Verbesserungen für die Ein-Fach-Lehrkräfte und die Nichterfüller an einigen Schulformen. Jetzt geht es um die Grundschulen und ich bin überzeugt, dass wir auch das schaffen, so wie es in anderen Ländern auch geschafft wurde.
Wir führen seit einigen Jahren in Sachsen-Anhalt Aktionen dazu durch und ich erinnere mich gut an die Enttäuschung über die mangelnde Beteiligung bei diesen ersten Aktionen. Es war so, als hätten die Lehrkräfte an Grundschulen selbst nicht daran geglaubt, dass es hier Erfolge geben könnte. Ein langer Atem ist wichtig – neben fundierter Argumentation und Demonstration unserer Kampfkraft. Deshalb beteiligen wir uns auch hier, am Rande unserer Konferenz, an der bundesweiten Statement-Aktion „JA13 – weil Grundschullehrerinnen es verdienen“ und werden erste Bilder hiervon in unserer EuW veröffentlichen.
Darüber hinaus kämpfen wir auf vielen Gebieten: Bei dem derzeit schon vorliegenden Kinderförderungsgesetz um die Qualität der Bildung, die auf jeden Fall damit zusammenhängt, wie gut sie durch Erzieherinnen und Erzieher, die Zeit für Vorbereitung und Nachbereitung haben, umgesetzt werden kann. – Vielleicht ist unsere Kritik ein Grund, weshalb das Sozialministerium das Grußwort an die LDK abgesagt hat.
Wir erwarten das Hochschulgesetz, über das bisher nur gemunkelt wird. Enthält es Regelungen zur echten Mitbestimmung der Hochschulgremien oder geht es vor allem um die Vermarktung der Wissenschaft?
Und wir streiten gegen unsinnige Regelungen zum Personalvertretungsgesetz und für mehr Freistellungen, für eine bessere Mitbestimmung, für eine Einigungsstelle, die ihren Namen verdient. Leider agieren die, die sich mal als Arbeiterpartei bezeichnet haben, hier eher mutlos.
Ganz aktuell mussten wir uns leider auch hier in Sachsen-Anhalt mit dem völlig überflüssigen AfD-Meldeportal beschäftigen. Unsere Website dazu ist schnell entstanden, den Vorstandsbereich Information und Kommunikation und der GEW Bund sei Dank. Für uns bot es noch ein weiteres Mal die Gelegenheit, sich deutlich von derartigen Praktiken zu distanzieren und sich für Weltoffenheit und Toleranz auszusprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, abgesehen von der AfD, mit der wir nicht zusammenarbeiten, lässt sich konstatieren, dass wir als GEW im Lande gehört werden.
Wenn man den Geschäftsbericht zur 7., der vorigen LDK, liest, so ist zu spüren, wie sehr wir gegen die Bullerjahnsche Doktrin der Schwarzen-0-Politik gekämpft haben. Alle unsere Voraussagen seit dem Beginn der 2000er Jahre wurden ignoriert. Es gab kaum noch Gespräche.
Seit der Wahl 2016 ist jedoch ein Umdenken bei der Landesregierung und den regierungstragenden Parteien zu spüren. Wir reden miteinander. Wir haben eine gute Kooperation mit den LINKEN und den GRÜNEN, teilweise mit der SPD und bisher weniger mit der CDU, obwohl es inzwischen auch hier einen sachlichen Austausch gibt. Die Landespolitik agiert aus unserer Sicht mutlos und zerstritten, ohne echte Konzepte, wohl aber mit ansatzweisen Korrekturen der Politik aus der vergangenen Legislatur.
Und wir, die GEW gehören zu denen, die solche Korrekturen, solche Änderungen in der Politik mit erzwungen haben.
Leider fällt uns das Erbe der Bullerjahn/Haseloff-Koalition jetzt immer auf die Füße: Schulen, Hochschulen, Kitas und Kommunen sind weiter unterfinanziert und der Personalabbau war eine Katastrophe, die uns noch Jahre beschäftigen wird.
Während das bei dem Personal im Schulbereich inzwischen nahezu unumstritten ist, rückt die Landespolitik an anderen Stellen keineswegs von früheren Beschlüssen ab, noch immer greifen auch SPD-Politiker*innen u.a. auf den sogenannten „Bernburger Frieden“ zurück und sind nicht bereit, Abbauprogramme an Hochschulen zurückzudrehen.
Trotzdem gibt es Fortschritte: Ministerpräsident Haseloff hat sich erstmals in seiner Regierungszeit für Bildung und Wissenschaft engagiert, sie wurden zwangsweise zu Chefsachen, u.a. bei der Umsetzung der Beschlüsse zur Volksinitiative „Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben!“. Sich auch als Ministerpräsident dieser Verantwortung zu stellen, war eine unserer Forderungen.
Es gibt bisher jedoch keine echte Kooperation und wir haben noch keine Tarifverhandlungen oder Vereinbarungen erreicht. Das bleibt noch zu erkämpfen.
Eine Organisation wie die GEW muss sich auch mit sich selbst beschäftigen und das ist nicht abwertend gemeint. Den Generationenwandel gut hinzubekommen, unsere Organisation auch künftig für Mitglieder attraktiv zu machen und zu vermitteln, dass es „sexy“ ist, Gewerkschaftsmitglied zu sein. Daran arbeiten wir mit guten Ideen.
Erwähnen möchte ich hier auch die gewerkschaftliche Bildung als eine unsere Stärken, in den Kreisverbänden, bei den Schulungen für unsere neuen Mitglieder, bei Personal- und Betriebsratsschulungen. Wir sind Teilnehmende und Referentinnen und Referenten, so wie es sich gehört für eine Bildungsgewerkschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landesvorstand hat die vergangenen vier Jahre gut gearbeitet, das möchte ich und kann es auch sagen, obwohl ich ja nur für zwei Jahre hauptverantwortlich zeichne.
Die Erfolge der GEW beruhen auch auf dem guten Zusammenspiel unserer ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen – angefangen vom Landesvorstand, über euch, die in den Schulen, Hochschulen und Kindereinrichtungen wirken. Im Landeshauptausschuss, in den Kreisverbänden, als Vertrauensleute, in den Personengruppen, den Landesarbeitsgruppen sowie in den Personalräten oder als Gleichstellungsbeauftragte leistet ihr eine verantwortungsvolle Arbeit, die gepaart mit der der hauptamtlichen Beschäftigten diesen Erfolg begründen. So sind wir stark und glaubwürdig. Alle haben einen maßgeblichen Anteil daran, dass die GEW insgesamt auf eine erfolgreiche Wahlperiode zurückschauen kann und auch weiterhin ihre wichtige Rolle als ernstzunehmende bildungs-und tarifpolitische Kraft in diesem Land spielen wird. Für diesen persönlichen Einsatz im Interesse unserer Mitglieder und einer guten Bildungspolitik gilt mein herzlicher Dank allen Kolleginnen und Kollegen in der GEW, den Haupt- und den Ehrenamtlichen. Abschließend möchte ich mich vor allem auch dafür bedanken, dass die Arbeit nach dem Ausscheiden unseres langjährigen Vorsitzenden, Thomas Lippmann, nahezu nahtlos weiterging. Und ich bedanke mich für all die vielfältige und wichtige Unterstützung, die mir persönlich in dieser Übergangszeit gewährt wurde.
39114 Magdeburg