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Sekundarschulen in Halle sind am Limit

Elternwille wird aus formalen Gründen ignoriert

Wie weit darf das ausführende Ministerium gehen, um seine bildungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen? An dieser Frage komme ich als Hallenser, Lehrkraft und Gewerkschaftsvertreter angesichts des derzeit schwelenden Konflikts über die Anzahl der weiterführenden Schulen im Schuljahr 2024/2025 nicht vorbei.

Denn laut der öffentlich zugänglichen Information VII/2024/07007, Anlage „Aufnahme in weiterführende Schulen Schuljahr 2024/25“ des Fachbereiches Bildung, gibt es an den halleschen Sekundarschulen ca. dreimal so viele Plätze wie Erstwünsche, an den Gesamtschulen hingegen ist der Erstwunsch ca. anderthalb Mal größer als die derzeit vorgehaltenen Kapazitäten – wobei sich in Gesprächen mit betroffenen Eltern deutlich zeigt, wer diese Entwicklung am wenigsten zu verantworten hat: die an den Sekundarschulen tätigen Lehrkräfte.

Die Ursachen des Elternwunsches liegen woanders: An den Sekundarschulen in Halle herrschen der größte Lehrkräftemangel und die durchschnittlich schlechtesten sächlichen Bedingungen. Ein Übergang von der Sekundarschule zum Gymnasium nach der zehnten Klasse ist zwar theoretisch möglich, praktisch aber nur schwer umsetzbar, da aufgrund der unzureichenden Unterrichtsversorgung in der Regel viel Unterricht ausfällt und keine zweite Fremdsprache ab der siebenten oder neunten Klasse angeboten wird. Was ist so schlimm daran, zehn Jahre zur Schule zu gehen und eine Berufsausbildung zu beginnen? Nichts, sagt uns der gesunde Menschenverstand. Nichts, würde ich auch als Elternteil sagen, wenn ich nicht schon ab der 5. Klasse für meine Kinder eine endgültige Entscheidung treffen müsste.

Nackte Zahlen können nicht immer als Entscheidungskriterium herangezogen werden – sicherlich wäre auch eine große Mehrheit der Bevölkerung für die Abschaffung der Lohnsteuer. In diesem Fall sind die Hinderungsgründe für eine neue Gesamtschule jedoch rein formaler Natur. Eine neue Schule muss so oder so gegründet werden. Rechtspopulisten nehmen nur zu gerne das Argument auf, dass unsere derzeitig politisch Verantwortlichen den „Willen des Volkes“ ignorieren – mit konkreten Beispielen tun sie sich sehr schwer. Wir sollten sie ihnen deshalb auch nicht liefern!
 

Malte Gerken, Stellv. Vorsitzender der GEW Sachsen-Anhalt

 

Meinung zum Schulbau-Streit in Halle:

Ausgetragen auf dem Rücken der Kinder

In Sachsen-Anhalt herrscht Lehrkräftemangel, das ist kein Geheimnis. Ältere Kolleg*innen gehen in den wohlverdienten Ruhestand und nur langsam kommen einige wenige jüngere Kolleg*innen nach. Diese Situation führt das konventionelle Schulsystem an den Rand des Zusammenbruchs, immer mehr Unterricht fällt aus, immer häufiger bleiben Klassen tageweise zu Hause, um „Homeschooling“ zu machen oder um einfach nicht in der Schule zu sein, so dass die Lehrkräfte anders verteilt werden können.
Zu dieser ohnehin schon schrecklichen Situation kommt in der kreisfreien Stadt Halle noch ein weiteres Problem: Es fehlt eine Schule und die Stadt und das Land können sich nicht einigen und schieben sich die Verantwortung gegenseitig hin und her.

Der Stadtrat beschloss eine Entlastung der Schulen – vor allem auch zur Vermeidung langer Schulwege für die Schüler*innen – durch einen Bau einer neuen Integrierten Gesamtschule. Doch das Land Sachsen-Anhalt schwört auf das herkömmliche Modell der Dreigliedrigkeit der Schulen und stimmt nur einer neuen reinen Sekundarschule zu. Man könnte nun meinen, dass der Unmut im Detail steckt, doch die Elternschaft der Stadt Halle möchte ihre Kinder überwiegend auf einer IGS anmelden und nicht auf einer Sekundarschule. Somit ist der Bau einer Sekundarschule durch die Wahl der Eltern nicht gedeckt. Da die Gemeinschafts- und Gesamtschulen der Stadt Halle voll sind, werden die Schüler*innen auf die Sekundarschulen verteilt, aber auf dem Papier reicht das nicht aus!

Ich bin Sekundarschullehrer und bin aufs äußerste erschüttert, dass die Debatte um eine neue Schule nicht die Schüler*innen im Fokus hat, sondern welche Modelle nach welcher Auffassung besser oder schlechter sind. Dabei ist meine Meinung, dass ein System mit Gesamt- und Gemeinschaftsschulen die Haupt- und Sekundarschulen abschaffen sollte, da sie bei den Eltern als Schule schlechterer Qualität gesehen werden.

Ich kann nicht entscheiden, welche Schulform die bessere ist, aber ich möchte, dass sich auf eine geeinigt wird. Unsere Sekundarschüler*innen finden unsere Schule und unsere Lehrer*innen super, ebenso wie die Schüler*innen der Gesamt- und Gemeinschaftsschulen. Doch Halle braucht eine weitere Schule und kann es sich nicht leisten, das Problem auf die lange Bank zu schieben. Und all das passiert auf dem Rücken unserer Schüler*innen, die ihre Wunschschulform nicht erhalten, auf andere Schulen verteilt werden und dann einen Schulweg von mitunter mehr als 45 Minuten auf sich nehmen müssen.

 

Autor ist der Redaktion der EuW bekannt
 

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Malte Gerken
Vorstandsmitglied für Berufsbildende Schulen & Stellvertretender Vorsitzender