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Offener Brief an die Bildungsministerin

„Es findet teilweise gar keine Bildung mehr statt.“

Bereits Anfang Juli erreichte die GEW Sachsen-Anhalt ein Offener Brief des Bürgermeisters der Gemeinde Elsteraue, adressiert an Bildungsministerin Eva Feußner. Darin findet er deutliche Worte zur desaströsen Unterrichtsversorgung an der Grundschule Tröglitz und mahnt dringenden Handlungsbedarf seitens des Bildungsministeriums an.

Sehr geehrte Frau Feußner,

es ist gut ein dreiviertel Jahr her, da haben Eltern der Grundschule Tröglitz ihren Unmut zum Lehrermangel auf verschiedenste Weise zum Ausdruck gebracht. Auch wenn ich einige Aktionen davon für mindestens fragwürdig, wenn nicht gar für falsch hielt, so erwartete ich, dass Sie, Frau Bildungsministerin Feußner, gemeinsam mit den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Ministeriums für die tatsächlich bestehenden und weithin bekannten Probleme praktikable Lösungen für die Erfüllung Ihres Bildungsauftrags gesucht und gefunden hätten.

Nun, kurz vor Abschluss des Schuljahres, ist es schon traurig zu sehen, dass sich die Situation nicht nur nicht verbessert, sondern sogar noch weiter verschlechtert hat. Es mag für einige Grundschüler schön sein, wenn sie häufig nur Musik- und Sportunterricht haben, aber keinen kompetenten Unterricht in ihrer Muttersprache Deutsch, keine Mathematik, keine fundierten Hausaufgaben, geschweige deren Kontrolle.

Die Eltern unserer Grundschüler haben berechtigte Sorgen um die Bildung ihres Nachwuchses. Die Verantwortlichen im Bildungsministerium sollten allmählich verstehen, dass es nicht fünf vor zwölf, sondern längst schon fünf nach zwölf ist. Trotzdem passiert zur Unterstützung der Grundschulen einfach nichts von Seiten Ihres Ministeriums. Mehr oder weniger freundliche Hinweise, dass die Lehrersituation an anderen Schulen ebenso – oder gar noch schlechter – ist oder dass auf dem Papier fast eine volle Unterrichtsauslastung vorherrscht oder dass das Landesschulamt die Probleme schon kennt, sind keine hilfreichen Informationen oder Lösungsansätze für die betroffenen Kinder, Eltern und Lehrer, sondern werden von nicht wenigen Betroffenen allmählich als zynisch empfunden.

Natürlich versuchen die verbliebenen Lehrkräfte alles, um die Fahne noch irgendwie hochzuhalten. Aber wenn zeitweise die Hälfte der Lehrer fehlt und das Land nicht in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen, dann geht es eben irgendwann nicht mehr weiter. Gerade die Jüngsten, von denen manche schon zwei Jahre lang unter widrigsten Bedingungen während der Pandemie lernen mussten, haben viel aufzuholen. Nur leider passiert das Gegenteil und die Bildungslücke wird immer größer.

Richtiger gesagt: Es findet teilweise gar keine Bildung mehr statt. Konkret musste zum Beispiel eine Lehrerin unserer Grundschule über Monate lang zwei 2. Klassen mit 44 Kindern allein unterrichten. Dass diese qualifizierte Lehrkraft dann irgendwann völlig überlastet ausfällt, verwundert nicht. Im Ergebnis haben nun beide 2. Klassen unserer Grundschule Tröglitz bis zum Schuljahresende keine Klassenlehrerinnen. So müssen in diesem Teufelskreis wiederum die noch verbliebenen Lehrkräfte ihr Möglichstes bis an ihre Leistungsgrenze heran tun, um wenigstens die Kinderbetreuung in einer Bildungseinrichtung des Landes Sachsen-Anhalt abzusichern. Eine ordnungsgemäße Benotung dürfte da schwierig werden, und das komplette Fehlen der Beurteilungen zum Lern- und Sozialverhalten wurde durch die Schule bereits angekündigt. Mit der Erfüllung eines Bildungsauftrages hat das insgesamt wenig zu tun.

Während der Corona-Pandemie haben die meisten Eltern ihren Kindern mit entsprechenden Aufgaben seitens der Grundschule wenigstens etwas Bildung vermitteln können. Aktuell passiert nicht mal mehr das. Wenn aber schon in den Klassen 1 und 2 grundlegendes Wissen nicht vermittelt wird, wie soll dann mit dieser Generation dem heute schon vorherrschenden Fachkräftemangel begegnet werden?

Es bedarf keiner PISA-Studie, um festzustellen, dass sich die Qualität der Bildung der Schulabgänger schon seit Jahren in die falsche Richtung bewegt. Mit dem jetzt hinzutretenden Lehrermangel dürfte sich dieses düstere Bild noch weiter verfinstern.

Im Herbst 2022 saß ich mit Lehrern, Eltern und dem Landrat des Burgenlandkreises zusammen, um zu erörtern, was die Kommunen tun können, um die Schulen bei der Lösung ihrer grundlegendsten Probleme zu unterstützen. Wir haben als Gemeinde Elsteraue trotz klammer Kassen digitale Voraussetzungen für die Schüler zum Lernen und für die Schule zur einfacheren Verwaltung geschaffen. Wenn ich könnte und dürfte, würde ich auch noch Lehrer einstellen. Da dies aber nicht in meiner Hand liegt, fordere ich Sie nochmals dazu auf:

Lösen Sie dieses Problem, das in Ihrer Verantwortung liegt!

Verspielen Sie nicht schon in der Grundschule die Zukunft unserer Kinder!

Abschließend möchte ich noch den Lehrkräften unserer, aber auch aller anderen Schulen, die trotz aller Hemmnisse versuchen, unsere Schüler bestmöglich zu unterrichten, meinen zutiefst empfundenen Dank ausdrücken. Bitte kämpfen Sie weiter so und hoffen Sie weiterhin mit mir gemeinsam auf bessere Zeiten für die Bildung unserer Kinder.

Hochachtungsvoll

Andreas Buchheim
Bürgermeister der Gemeinde Elsteraue

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