Kommentar
Experiment „Vorgriffstunde“ gescheitert
Die Linke hat mit einer kleinen Anfrage im Landtag Informationen zur Auswirkung der Vorgriffstunde auf die Abdeckung des Unterrichts in allen Schulformen eingeholt und stellt fest, dass der Unterrichtsausfall trotzdem weiterhin extrem hoch ist.
An den allgemeinbildenden Schulen waren mehr als 11 Prozent des Unterrichts von der Abwesenheit der eingeplanten Lehrkraft betroffen. Nur wenig davon (25 Prozent) konnte vertreten werden. Der ersatzlose Ausfall machte 50 Prozent aus und ein Viertel konnte durch zweifelhafte Maßnahmen wie z. B. Klassenzusammenlegungen „gerettet“ werden. Die mit der Vorgriffstunde zu hohen Belastungen für die Lehrkräfte sorgen für einen besorgniserregenden Krankenstand. Der bildungspolitische Sprecher der Linken Lippmann äußerte dazu: „Die Zahlen bestätigen auch die Befürchtung, dass die Vorgriffstunde am Ende nicht zu einer Verbesserung der Unterrichtssituation führt, sondern von den Lehrkräften in den Krankenstand mitgenommen wird.“
Die Vorgriffstunde hat zu einer weiteren Arbeitsverdichtung der Lehrkräfte geführt. Zusammen mit dem Wegfall der Altersermäßigungen zwischen 60 und 62 Jahren müssen diese Kolleg*innen jetzt drei Stunden mehr arbeiten als ihre Vorgänger. Das führt nicht nur zur Erschöpfung, vor der sich vielfach in den Krankenstand gerettet wird, sondern befördert auch ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf. Hinzu kommt Frust, weil die Verwaltung nicht in der Lage ist, die geleistete Vorgriffstunde vereinbarungsgemäß auszuzahlen. Das Land leistet sich gegenwärtig Schulden bei tausenden Lehrkräften. Die Mitarbeitenden im Landeschulamt, die diese Stunde verwalten sollen, waren mit ihrer Kraft auch vorher schon am Limit. Mit dieser zusätzlichen Aufgabe sind sie nun endgültig überfordert.
Als GEW Sachsen-Anhalt haben wir Prozesse zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorgriffstunde, zu Verzugszinsen bei nicht termingerechter Bezahlung und der Vergütung an Feiertagen geführt. Manches haben wir verloren, aber auch einiges gewonnen.
Nun wird natürlich nach den Schuldigen der Misere gesucht. Die Referatsleiterin 32 vom Landesschulamt hat dabei die Schulleiter*innen im Visier und droht auch gleich mit den guten Beziehungen, die sie zum Präsidenten des Landesarbeitsgerichtes unterhält. Da liegen inzwischen wohl die Nerven blank.
Doch es braut sich schon neues Unheil am Bildungshorizont zusammen. Wenn es denn mit der Vorgriffstunde nicht geklappt hat, muss nun die Erhöhung der Schüler*innenzahl für neu gebildete Klassen herhalten. Hier geht es auch um die Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Nur dass es bei den zu erwartenden Schulschließungen diesmal die Schüler*innen noch härter treffen dürfte. Ohnehin schon viel zu lange Schulwege verlängern sich dann noch mal. Wertvolle Lebenszeit der Kinder wird im Bus verplempert. Noch ist da zum Glück nichts endgültig entschieden. Vielleicht kann wenigstens dieses Vorhaben verhindert werden. Ein gescheitertes Projekt reicht.