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Förderpädagogik in Halle

Fachgruppe Förderpädagogische Einrichtungen stellt sich neu auf

Reinvented & remixed – So könnte auch die neue Platte einer kultigen Band aus den 80ern heißen. Bei uns ist es die Neuaufstellung der Fachgruppe Förderpädagogische Einrichtungen im GEW-Stadtverband Halle.

Nach Corona-Pause und Verabschiedung von Kolleg*innen in den Ruhestand haben wir die Fachgruppe neu formiert und mit einem ersten Treffen wieder ins Leben gerufen. Sie besteht bislang aus den verschiedenen Professionen der Kollegien der Förderschulen unterschiedlicher Förderschwerpunkte und des Gemeinsamen Unterrichts.

Sogleich begannen wir mit der Arbeit: Wir tauschten uns über die Funktion und Ziele der Fachgruppe aus und erstellten für die Stadtdelegiertenkonferenz einen Antrag zur Schulsozialarbeit an Förderschulen. Ebendiesen möchten wir im Folgenden kurz umreißen, um unsere Initiative vorzustellen.

In der „Jugendhilfeplanung der Stadt Halle (Saale)“ für das Schuljahr 2022/23 1 heißt es auf Seite 34 in Abschnitt 8.3:

„Für alle […] sonderpädagogischen Förderschwerpunkte gibt es in der Stadt Halle (Saale) entsprechend ausgerichtete Förderschulen und Landesförderzentren. Entsprechend ihren sonderpädagogischen Förderschwerpunkten wird neben dem Lehrpersonal therapeutisches Personal (bspw. Ergo-, Physiotherapeut:innen oder Logopäd:innen) eingesetzt. Das therapeutische Personal unterstützt die Schüler:innen dabei, bestehende oder zu erwartende Barrieren auszuräumen und tragen dazu bei, die individuelle Lebenswelt zu verbessern. Die Ausstattung und Vernetzung unterschiedlichster Professionen an einem Schulstandort kann somit Teile der Funktion von Schulsozialarbeit abdecken. An den Förderschulen mit den Schwerpunkten, geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, Hören und Sehen wird bislang keine Schulsozialarbeit angeboten. Ein Bedarf an Schulsozialarbeit ist an diesen Schulen aus den oben genannten Gründen grundsätzlich als Zusatzbedarf anzusehen.“

Schulsozialarbeit ist also Zusatzbedarf an ebenjenen Schulen. Die Förderschulen mit den Schwerpunkten geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, Hören und Sehen brauchen keine Schulsozialarbeit, da sie bereits mit therapeutischem Personal versorgt sind und dieses „Teile der Funktion von Schulsozialarbeit“ abdeckt. Eingeräumt wird, dass der Aufgabenbereich nicht allumfänglich geleistet werden kann. Wer allerdings nur ansatzweise einen Einblick in die Berufsbilder hat, weiß, dass weder Ergo- und Physiotherapeut*innen noch Logopäd*innen den komplexen Aufgabenbereich von Schulsozialarbeit auch nur ansatzweise abdecken können. Wäre es so, könnten sie ihre eigentliche Aufgabe, das Therapieren, nicht mehr leisten, denn Schulsozialarbeit ist kein Nebenjob! Das vielfältige Arbeitsspektrum besteht aus Einzelfallberatung, Beratung von Gruppen, Elternberatung, Netzwerkarbeit mit kommunalen Trägern der Jugendhilfe, mit der Polizei, mit Therapeut*innen, mit medizinischen Einrichtungen, Beratung bei Schulangst und Schulabsentismus, Drogenprävention, Gewaltprävention, Alkoholprävention, verhaltenstherapeutische Maßnahmen bei gewaltbereiten, aggressiven Schülercharakteren, Begleitung und Auswertung gruppendynamischer Prozesse im Klassenverband zur Verbesserung des Klassenklimas, freizeitpädagogische Angebote wie Schulband, Fußballturniere, berufsvorbereitende Angebote für Kinder und Jugendliche aus der inklusiven Beschulung. Diese Aufzählung ist nicht einmal vollständig und lässt sich verständlicherweise nicht nebenher abarbeiten.

Andersherum funktioniert es ja auch nicht: Schulsozialarbeit kann nicht im Ansatz die Aufgaben der Ergo-, Physiotherapie oder Logopädie übernehmen. Nicht umsonst gibt es dazu dreijährige, hochspezialisierte Berufsausbildungen, die durch den oben zitierten Passus entwertet werden – ebenso wird das Berufsbild der Schulsozialarbeit in Frage gestellt. Fraglich ist ebenso, wieso nicht gleich alle Therapeut*innen die Aufgaben der Schulsozialarbeit übernehmen. Ach ja, weil sie nicht in der Schule, sondern extern angestellt oder selbstständig sind und auf Rezept stundenweise während der unterrichtsfreien Zeit in der Schule arbeiten. Fraglich ist außerdem, wieso das in Teilen des Landes Sachsen-Anhalt anders ist. Interessant ist daher der Blick in andere Landkreise oder kreisfreie Städte. Denn beispielsweise in Magdeburg oder Dessau-Roßlau finden wir Schulsozialarbeit auch an Förderschulen mit den genannten Förderschwerpunkten. Des Weiteren muss überlegt werden: Wenn es an den benannten Förderschulen keine Schulsozialarbeiter*innen gibt, die Therapeut*innen dies in der Realität auch nicht leisten können, wer deckt diesen Aufgabenbereich ab? Eins und Eins zusammengezählt lässt sich erahnen, dass die Mehrarbeit von Lehrkräften und Pädagogischen Mitarbeiter*innen übernommen wird – sicher nicht vollumfänglich, aber zusätzlich, nebenbei und zu Lasten der Schüler*innen!

Wir fordern Schulsozialarbeit an allen Förderschulen, damit es nicht zu weiterer Arbeitsverdichtung der Lehrkräfte und der Pädagogischen Mitarbeiter*innen kommt! Der Antrag auf Überarbeitung des Passus wurde in der Stadtdelegiertenkonferenz des Stadtverbands Halle am 5. Oktober 2022 angenommen – vielen Dank an die Delegierten! – und kann nun in den entsprechenden Verwaltungsgremien der Stadt Halle eingereicht werden.

Unser nächstes Fachgruppentreffen findet als Neujahrstreffen am 26. Januar 2022 von 16 bis 17 Uhr im „Kaffeehaus Wittekind“ statt. Interesse? Komm einfach dazu, wir freuen uns auf dich!