Bildungspolitik
Falsche Entscheidung für den „Anfang“ hat fatale Folgen am „Ende“
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Festlegung einer Mindestschüler*innenzahl von 25 Kindern für die ersten Klassen der Schulen in den Oberzentren und dem landesweiten Absenken der Voraussetzungen für den Hauptschulabschluss? Die Antwort liegt auf der Hand:
Durch die Festlegung von 25 Kindern in den ersten Klassen nimmt das Bildungsministerium bewusst in Kauf, dass mindestens ein Viertel von ihnen ihrer Bildungschancen beraubt wird. Keine Lehrkraft kann den Spagat zwischen den ohnehin vorhandenen Entwicklungsdifferenzen von mindestens 1,5 Jahren für 25 Schüler*innen ausgleichen. Wenn aber das Ministerium parallel trotzdem anstrebt, den Anteil der Schüler*innen ohne Schulabschluss zu senken, funktioniert das wohl aus Sicht der Verantwortlichen am ehesten erfolgreich mit dem Absenken des Anforderungsniveaus zum Erreichen des Hauptschulabschlusses. Doch damit schaffen wir keine qualifizierten Bewerber*innen für einen anspruchsvollen Fachkräftearbeitsmarkt.
Eine Niveauabsenkung bei den Absolvent*innen unserer Schulen verzeichnen Lehrkräfte seit Jahren. Unterrichtsausfall, nicht besetzte Stellen, Klassengrößen von 35 Kindern und mehr in zusammengelegten Klassen an den Regelschulen, soziale Brennpunktschulen, ausgebrannte Kolleg*innen und viele andere Punkte mehr sind ursächlich dafür verantwortlich, dass wir uns auf einem Niveau bei den Abschlüssen besonders der Sekundarschule bewegen, mit dem alle, einschließlich der Industrie- und Handelskammer, sehr unzufrieden sind.
Die für Bildung in diesem Land Verantwortlichen sollten sich einmal die Studie der Bertelsmann Stiftung unter dem Titel „Was unzureichende Bildung kostet“ durchlesen. Im Vorwort zur Studie heißt es: „Mehr als ein Fünftel der 15-jährigen Jugendlichen in Deutschland verfügt nicht über die notwendigen Basiskompetenzen, die für eine aktive und selbstbestimmte Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft unentbehrlich sind. Die PISA-Studien bezeichnen diese Gruppe als Risikoschüler, da sie maximal auf Grundschulniveau lesen und rechnen können: Ihr Bildungsniveau ist unzureichend.“
Die Folgekosten unzureichender Bildung summieren sich allein in Sachsen-Anhalt über einen Betrachtungszeitraum von 80 Jahren auf 48 Milliarden Euro. In der Addition aller Bundesländer verliert Deutschland 2807 Milliarden Euro.
Wenn es uns aber gelingen würde, eine Bildungsreform so zu gestalten, dass die Basiskompetenzen zur Teilhabe am Arbeitsprozess ausgebildet sind, könnten wir ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt in Milliardenhöhe erwirtschaften. Das wäre auch ein echter Beitrag, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Stattdessen fährt das Bildungsministerium als Geisterfahrer auf der Schulautobahn in die falsche Richtung.