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GEW-Mitglieder im Fokus

Anita Rother: „Für mich ist es immer ein Antrieb gewesen, Schwierigkeiten zu lösen“

Die ausgebildete Erzieherin Anita Rother arbeitet als Familienhelferin beim DRK in Stendal. Die Belange der Kinder- und Jugendarbeit bei freien Trägern möchte sie sowohl in der GEW als auch generell in Politik und Gesellschaft stärker repräsentiert sehen.

„Wie der Herr, so’s Gscherr“ ist ein Sprichwort, das gern im Zusammenhang mit der (Wesens-)Ähnlichkeit zwischen Hund und Halter bemüht wird. Für Anita Rother und ihren Border Collie namens Cooper besitzt die Spruchweisheit einhundertprozentig Gültigkeit – wie jedenfalls das Frauchen findet. Der Vierbeiner, den sie sich 2019 anschaffte, sei anfangs sehr anstrengend gewesen, „weil ihm die einfachen Aufgaben nicht gereicht haben, er kopftechnisch noch etwas anderes brauchte“, berichtet Anita Rother. Mit dem regelmäßigen Training im Rettungshunde Altmark e. V. habe ihr tierischer Schützling nunmehr eine adäquate Herausforderung gefunden; und sie als dortige Vereinsvorsitzende gleich mit. „Für mich ist es immer ein Antrieb gewesen, Schwierigkeiten zu lösen“, sagt die 38-Jährige, und man kann dies getrost auch auf ihren beruflichen Werdegang und ihr Engagement in der GEW Sachsen-Anhalt beziehen. 

Der Weg von Anita Rother, die heute in Stendal als sogenannte Familienhelferin arbeitet und neben ihrem Berufsabschluss als Erzieherin zudem zertifizierte Trauma-Pädagogin sowie Suchtberaterin ist, begann freilich mit einem Scheitern: mit einer – „Ich hatte totalen Blackout!“ – zweimal vermasselten Chemieprüfung beim Abitur. Die Aussicht vor Augen, als dann bereits 20-Jährige das 13. Schuljahr noch einmal zu wiederholen, begrub Rother ihre Pläne von einer Laufbahn im Bereich Medizin und begann ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), welches sie in ein Kinder- und Jugendheim in Oschersleben führte. „Das war der Anstoß für alles Folgende – das war das, was ich künftig beruflich machen wollte“, erinnert sie sich an eine Zeit, in der ihr gewissermaßen das Herz aufging bei dem Bestreben, den Heranwachsenden ein familienähnliches Zuhause zu geben: „Ich habe ganz tolle Kinder kennengelernt und bin selbst daran gewachsen, an ihrer Entwicklung teilzuhaben, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich fern von Gewalt oder sexuellem Missbrauch entfalten zu können.“ Der Ratschlag ihrer damaligen Teamleiterin „Lerne die Klienten kennen und nicht die Akte“ präge bis zum heutigen Tag ihre Herangehensweise. 

Nach einer Erzieherausbildung in Rathenow war ein Heilpädagogisches Kinder- und Jugendheim in Köckte bei Tangermünde von 2011 bis 2016 Anita Rothers erste große berufliche Station. „Eine erfüllende Zeit“ sei das gewesen, in die – davon später mehr – auch ihr Eintritt in die GEW fiel, berichtet Anita Rother. Doch nachdem sie ihren Mann kennengelernt hatte, habe sie von den ständigen Wochenenddiensten wegkommen wollen. Berufliche Stationen als Streetworkerin in der mobilen Jugendarbeit sowie bei einem Bildungsträger, wo sie psychisch erkrankte Langzeitarbeitslose behutsam wieder auf das Arbeitsleben vorzubereiten half, folgten, ehe die junge Frau Mitte 2020 beim DRK Östliche Altmark in den Bereich Familienhilfe einstieg. „Wenn es im Kinderheim darum ging, die durch dysfunktionale Elternhäuser bei den Heranwachsenden hervorgerufenen Negativ-Auswirkungen zu bekämpfen, kann ich jetzt als Familienhelferin, die direkt vor Ort bei der Alltagsgestaltung unterstützt, sozusagen an der Wurzel angreifen und unmittelbar dafür sorgen, dass es den Kindern besser geht“, hebt Anita Rother hervor. Sie sehe sich als Sprachrohr der Kinder, die sich oft nichts zu sagen trauten, und als „Übersetzerin“, Vermittlerin, zudem Ratgeberin für die Eltern, die oft gar nicht verstünden, warum ihre Kids in bestimmten Situationen so oder so reagierten. 

Als Sprachrohr fungiert Anita Rother auch im Rahmen ihres Engagements bei der GEW – und zwar als Sprachrohr für alle in der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit bei freien Trägern beschäftigten Erzieher*innen. „Während unsere Kolleg*innen in Kita und Hort innerhalb der GEW ja recht stark vertreten sind und Lehrkräfte und Pädagogische Mitarbeitende an den Schulen sowieso, gibt es da eine Art blinden Fleck oder toten Winkel“, bringt sie die Dinge auf den Punkt. „Gemessen daran, wie breit gefächert der Bereich der freien Kinder- und Jugendarbeit mit einem Spektrum von Beratungsstellen, Schulsozialarbeiter*innen und Schulbegleiter*innen bis hin zu Kinder- und Jugendheimen ist, haben wir da zu wenige Mitglieder, passiert dort einfach nicht genug.“ 

Auch wenn sich die Marginalisierung und das Unterrepräsentiert-Sein dieses Bereiches ein Stück weit mit dessen Heterogenität und somit Vorliegen sehr unterschiedlicher Interessenlagen erklären ließe, ist Anita Rother angetreten, daran etwas zu ändern. Noch in ihrem GEW-Eintrittsjahr 2014 nahm sie im Stendaler Kreisvorstand die seinerzeit vakante Position der für den Bereich der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit bei freien Trägern Verantwortlichen ein. Seitdem bemüht sie sich um die Gewinnung von GEW-Mitgliedern unter den dort Tätigen sowie um deren Vernetzung, hat dafür mit ihrem Mitstreiter Noah Baalke sogar ein eigenes Format ersonnen: Nach der erfolgreichen Premiere im Vorjahr mit an die 20 Teilnehmenden wird das diesjährige „Meet & Greet 2.0“ für sowohl schon im Beruf tätige als auch angehende Erzieher*innen aller Couleur am 21. August über die Bühne gehen. „Wir wollen den Stellenwert der freien Arbeit in der GEW, aber auch generell in Politik und Gesellschaft stärken“, sagt die Frau, die die Zeit für ihr Ehrenamt gern aufbringt. „Ich verfüge eh’ über ,Hummeln im Hintern‘ und hab es nicht so mit Chillen“, bekennt Anita Rother, die sich auch im Kultur- und Heimatverein ihres Heimatdorfes Neuermark-Lübars engagiert.