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Kommentar

Fußball-WM und Moral

Rolf Hamm, Mitglied der Zeitungsredaktion "EuW", hat einen Kommentar über die Doppelmoral der aktuellen Fußball-Weltmeisterschaft verfasst.

Foto: Thomas Serer/unsplash

Die Fußball-WM in Katar ist wegen des Austragungsortes umstritten. Doch der Fokus ist sehr einseitig gelegt. Es hat den Anschein, als ginge es nur um die Menschenrechte, mit denen es Katar nicht so genau nimmt. Als ginge es nur um „One Love“. Der Skandal ist weit größer und es ist ziemlich verlogen, dass wir trotzdem mitgemacht haben. Fußball ist immer noch ein Volkssport auf der ganzen Welt, aber auch ein dreckiges Geschäft.

Wer versucht, etwa einen Blick hinter das nicht sofort Offensichtliche und im Zentrum der Berichterstattung Stehende zu werfen, trifft auf einen moralischen Sumpf. Der Streit um Aufdrucke auf Kapitänsarmbinden ist nur die Spitze des Eisberges, „One love“ gegen die offiziell von der FIFA genehmigten Armbindenaufdrucke ist bestenfalls ein Scheingefecht. Wer aufmerksam auf die Armbinden geschaut hat, weiß: „SaveThePlanet“, „ProtectTheChildren“, „EducationForAll“, „ShareTheMeal“ oder „NoDiscrimination“ soll die Botschaft sein, doch die Wirklichkeit der FIFA ist katastrophal anders.

Fangen wir mit dem Klima an. Die FIFA rettet nicht das Klima, sie ist mit dieser WM ein Klimazerstörer. 200 Mrd. US-Dollar soll Katar für diese WM ausgegeben haben. Keines der Stadien wird nach der WM nachhaltig genutzt, eines wird sofort nach WM-Ende abgebaut. Die Energieressourcen, die alleine für die Kühlung der Stadien mitten in der Wüste während der Spiele verschwendet werden, sind irre. Der nur für die WM gebaute Flugplatz wird danach nie mehr ausgelastet sein. „SaveThePlanet“ ist eine Farce.

Sehen wir uns die Prämien für die eh schon maßlos überbezahlten Fußballprofis an. Der Weltmeister bekommt 42 Mio. US-Dollar. Und das stuft sich dann ab bis zu den Teilnehmern an der Gruppenphase, die immer noch neun Mio. US-Dollar einstreichen, auch wenn sie wie Deutschland gleich nach Hause fahren. Auch die Schiedsrichter sind privilegiert. Nur für das Anwesendsein bekommt jeder 67.000 Euro. Ein Spiel in der Gruppenphase bringt 2.900 Euro und wenn man in der K.O.-Runde pfeifen darf, sind pro Spiel 9.600 Euro sicher. Einen Fonds für verunfallte, getötete Arbeitskräfte beim Stadionbau gibt es allerdings nicht, und wenn dann doch noch, wird der lächerlich gefüllt sein. „ShareTheMeal“ ist ein Hohn.

Ich kann nicht beziffern, was man alles für die Bildung der Kinder der ganzen Welt auf die Beine stellen könnte, wenn hier einigermaßen gerecht geteilt würde. Was könnte tatsächlich für den Schutz von Kindern auf den Weg gebracht werden? Wie viele Schulen könnten gebaut werden? Wie viele Lehrkräfte könnten eingestellt werden? Wie viele Menschen müssten nicht hungern? Antworten darauf bleibt die FIFA schuldig, weil Profit für private Taschen das Einzige ist, was zählt. Die Aufdrucke auf den Kapitänsarmbinden können vielleicht das Gewissen von Funktionären und Spielern etwas beruhigen. Für den Rest der Welt sind es kapitale Lügen ...