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Arbeitszeit von Lehrkräften

Gutachten eindeutig: Erfassung ist unausweichlich

„Lehrkräfte haben vormittags Recht und nachmittags frei.“ Wie oft habe ich den Spruch schon gehört? Dabei ist allgemein bekannt, dass sich die Arbeitszeit von Lehrkräften in einen bestimmten und einen unbestimmten Teil aufgliedert.

Der bestimmte Teil ist das sogenannte Stundendeputat und beträgt je nach Schulform zwischen 24 und 27 Stunden (ohne Vorgriffstunde). Dieser Teil wird in der Regel tatsächlich vormittags abgearbeitet. Der unbestimmte Teil allerdings hängt nicht vollständig, aber auch zu einem Teil davon ab, wie die persönlichen Vorlieben der Lehrkraft gelagert sind. Das große Problem war schon immer: Da keiner so recht weiß, wie groß der unbestimmte Teil der Lehrkräftearbeitszeit eigentlich ist, wird damit von Seiten des Arbeitgebers schamlos Schindluder getrieben.

Jedes bisherige Kultusministerium in Sachsen-Anhalt hat diesen Fakt ausgenutzt, um den unbestimmten Teil der Arbeitszeit immer weiter auszudehnen. In anderen Bundesländern ist es genauso. Für die pädagogische Kernaufgabe des Unterrichts steht immer weniger Zeit zur Verfügung. Im Ergebnis führt diese Ausweitung und Verdichtung der Lehrkräftearbeit zu steigenden gesundheitlichen Risiken und gleichzeitig sinkt die Attraktivität des Berufes. Ein Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt deshalb zu dem Ergebnis: „Der unbestimmte Teil der Arbeitszeit, der jenseits der Deputate liegt, kann nicht länger in dieser Unbestimmtheit belassen werden.“ Auch der unbestimmte Teil muss erfasst werden. Dies ist inzwischen gesetzlich so vorgesehen, aber die Kultusministerkonferenz ist bisher noch tatenlos.

Niemand, der diese Materie kennt, wird behaupten, dass dies leicht zu bewältigen wäre. Man bedenke nur die unterschiedlichen Aufwendungen von Fach zu Fach, von Klasse zu Klasse, von zugewiesener Aufgabe zu einer anderen. Da kommt man mit Faktorisierung kaum weiter. Die Erfassung des unbestimmten Teils der Arbeitszeit würde ganz tief in bisherige schulische Selbstverständlichkeiten eingreifen, zumal Tätigkeitsbeschreibungen und Anforderungsprofile in den meisten Bundesländern bislang nicht existieren.

Wenn man den Schulfrieden bewahren will, wird es administrativ sicher nicht gehen. Deshalb schlagen die Autor*innen des Gutachtens vor: „Um den Besonderheiten des pädagogischen Berufs gerecht zu werden, sollte an der pädagogischen Freiheit und an der Vertrauensarbeitszeit festgehalten werden und die Zeiterfassung an die Lehrkräfte delegiert werden.“ Das heißt aber schon gar nicht, es bei Tatenlosigkeit zu belassen. Im Interesse des Berufes muss damit angefangen werden, auch wenn es sich um eine Herkulesaufgabe handelt.