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Offener Brief von Grundschullehrkräften an Bildungsministerin Feußner

Handeln Sie jetzt!

Die EuW-Redaktion erreichte ein Offener Brief der Grundschullehrkräfte aus Weißenfels und Umgebung an Bildungsministerin Eva Feußner. Darin werden die Zustände an den Schulen beschrieben und auf die enormen Arbeitsbelastungen aufmerksam gemacht.

Sehr geehrte Frau Feußner,

gern schildern wir Grundschullehrkräfte Ihnen hier einmal einen kleinen, aber realistischen Ausschnitt aus unserer täglichen Arbeit an den Grundschulen im Burgenlandkreis: Wir sind Grundschullehrkräfte mit DDR-Ausbildung. Und ja, wir sind es wert. Warum?

Seit der Wende können wir in fast allen Schulformen unterrichten, Prüfungen abnehmen, Referendare betreuen und auch in der Förderstufe arbeiten. Mit einer Ausbildung in drei Fächern unterrichten wir nunmehr in fünf und mehr Fächern, angefangen von Deutsch, Mathe, Geschichte, Biologie, Geografie bis hin zu Sport. Das geschieht wohlgemerkt auch wissenschaftlich, was uns ja als Grundschullehrkräften nicht bescheinigt wurde, um keine A 13 zahlen zu müssen. Nach ca. neun bis zehn Jahren wurden wir an die Grundschulen zurückgeschickt. Dort ging es mit neuen Plänen und Methoden weiter mit den Fächern Deutsch, Mathe, Sachkunde, Englisch, Sport und Schwimmen. Die Arbeit wurde immer mehr, der Lohn nicht angemessener.

Weiterhin bilden wir die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst aus, arbeiten an Förderschulen und im Gemeinsamen Unterricht. An allen Tagen der Woche sind wir an mehreren Standorten unterwegs, um den Schwimmunterricht abzusichern, fahren keinen Dienstwagen und bekommen angesichts der derzeitigen Tankrechnungen keinen Sonderbonus. Morgens geht’s zur Stammschule, dann zum Schwimmen und danach nochmal in die Stammschule. Da ist keine Kraft mehr für große Taten am Nachmittag!
Nein, die Abrechnung der Fahrtkosten nach Kilometern geschieht erst, wenn der Nachweis erbracht wurde, kein öffentliches Verkehrsmittel benutzen zu können. So wenig Vertrauen genießen wir.

Der Schwimmunterricht lässt sich zudem oft nicht immer gesetzlich absichern, da zu wenige Lehrkräfte zu viele Kinder unterrichten. Da helfen auch auf die Schnelle gedruckte Schwimmgutscheine nicht. Aber man hat ja seine Schuldigkeit getan. Da stellt sich auch die Frage nach der Wertigkeit des neuen
Schwimmpasses. Es gibt keine freien Kurse, nicht genügend Schwimmbäder und auch kein ausreichend ausgebildetes Personal. Da stoßen auch die DLRG,
Wasserwacht und Schwimmmeister in den Einrichtungen an die Grenzen. Das ist vielleicht eine gut gemeinte Idee, die schon im Ansatz scheitert. Wer hat da recherchiert?
Zunehmend kommt ein erheblicher Anteil an nicht deutschsprachigen Kindern hinzu, für deren Inklusion wir auch verantwortlich gemacht werden. Und da gibt es noch mehr, der Job als Psychiater, Familienhelfer, Streitschlichter, Krankenschwester, Hausmeister, Erzieher und Abtreter, für alle die, die die Erziehung ihrer eigenen Kinder nicht hinbekommen und es von der Schule einfordern.

Dabei ist noch nicht von den Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts die Rede und auch kein Elternabend, Elterngespräch, keine Fortschreibung von Gutachten und Beurteilungen sind da erwähnt. Geschweige denn von der Teilnahme an regelmäßigen Dienstberatungen, Fachkonferenzen, Fachschaften, Gesamtkonferenzen, außerschulischen Veranstaltungen, Schulfesten, Tagen der offenen Tür etc.
Wir sind auch sehr offen für spontane Wochenendanrufe und Briefe von erzürnten Eltern. Nicht zu vergessen die Fort- und Weiterbildungen, die nur in der unterrichtsfreien Zeit und an Samstagen stattfinden. Bei mehrtägigen Fortbildungen darf man mit wildfremden Kollegen ein Zimmer teilen. Anspruch auf Privatsphäre brauchen Grundschullehrkräfte nicht. Und wenn, dann ist es kostenpflichtig.

Den älteren Kollegen wurden einfach mal die zwei Anrechnungsstunden genommen. Weil man ja auch mit 60 oder 62 noch fit wie ein Turnschuh ist. Mit all diesen Aufgaben und dem wenigen Respekt für unseren Beruf ist unser zeitliches Arbeitsaufkommen vollkommen und über die Maßen ausgeschöpft. Lerninhalte und Ziele werden mehr und mehr zurückgeschraubt, eine individuelle Betreuung ist in den seltensten Fällen gegeben. Digitalisierung funktioniert nur, wenn das Pferd nicht von hinten aufgezäumt wird, aber das ist leider der Fall. Unsere Dienst-Computer kamen erst viel später und ohne Inhalt. Bis heute ist kein Betriebssystem installiert. Daher sind sie nur begrenzt nutzbar. Der Administrator ist ein Kollege der Schule, der sich etwas besser mit Computern auskennt. Ist das Ihre Zukunft?

Die Grundschulen legen die Grundlagen für die weiterführenden Schulen. Wenn das nicht erkannt und anerkannt wird – von Schülern, Eltern, übergeordneten Institutionen und der gesamten Gesellschaft – haben wir verloren. Es braucht eine Wertschätzung unserer Arbeit, die viele Kolleg*innen seit 20, 30 oder 40 Jahren ausüben. Mit dem ständigen Druck und immer neuen Aufgaben muss endlich Schluss sein! Wir wissen, was wir leisten, wissen Sie das auch? Gestehen Sie uns endlich eine gerechte und uns zustehende Entlohnung zu! Wir brauchen Hilfe von oben.

Es wird immer dunkler in der Bildungslandschaft und unter der Lehrerschaft. Wir sind es wert. Handeln Sie jetzt!

Mit freundlichen Grüßen und in Vertretung für alle Lehrkräfte, die übrig sind und viele Schulsysteme kennen, noch immer zurechtkommen und weiterhin wissenschaftlich arbeiten.

Almut Scheibert und Grundschullehrkräfte aus Weißenfels und Umland