Kommentar
Ideenlosigkeit im digitalen Zeitalter
Neues Jahr, neues Glück? Mittlerweile befinden wir uns im Jahr 2024, also 24 Jahre nachdem die Entwicklungen des Internets und der digitalen Möglichkeiten rasant an Fahrtwind gewonnen und unsere Gesellschaft grundlegend verändert haben.
Und wie sieht es in Sachsen-Anhalt in puncto Digitalisierung aus? Wie digital laufen unsere Behördengänge, medizinische Dienstleistungen oder der Alltag in unseren Bildungseinrichtungen ab?
Bis heute kämpfen die Bildungseinrichtungen nicht nur mit der Anschaffung der technischen Geräte oder eines ordentlich ausgebauten Internetanschlusses, sondern sie beschäftigen sich auch mit der Nutzbarmachung und Wartung der Geräte und den unendlich vielen Möglichkeiten, über digitale Wege Wissen zu vermitteln. Darüber hinaus sollten auch Mindeststandards für den Datenschutz definiert werden. An vielen Stellen werden die Beschäftigten mit diesen Möglichkeiten allerdings allein gelassen.
Bereits im Mai dieses Jahres läuft der „DigitalPakt Schule“ aus, mit dem der Bund die Länder und Gemeinden bei Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur unterstützt; ein Nachfolgeprogramm gibt es noch nicht. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hat im Jahr 2022 ein Gutachten zur Digitalisierung im Bildungssystem mit Handlungsempfehlungen von der Kita bis zur Hochschule vorgelegt. Darin forderte sie u. a. Veränderungen in den Bildungszielen und -inhalten, eine forschungsbasierte Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien, die Professionalisierung des Bildungspersonals und eine Organisationsentwicklung. Doch die Mühlen in unseren (Bildungs-)Behörden mahlen langsam.
Erinnern wir uns nur an die Online-Erklärungen der Lehrkräfte zur Auszahlung oder Ansparung der Ausgleichsstunde, die man im vergangenen Jahr „digital“ einreichen konnte. Jedoch stellte sich im September heraus, dass nicht jede Abteilung im Schulamt Zugriff auf diese hatte. Also wurden die Online-Erklärungen ausgedruckt und kurzerhand per Briefpost eingereicht. So läuft das in Sachsen-Anhalt.
Und wenn man keine eigenen Ideen hat, schreibt man eben einen Wettbewerb aus. Das dachte sich zumindest unser Ministerium für Infrastruktur und Digitales und initiierte Mitte Dezember einen Ideenwettbewerb. „Gesucht werden vor allem Ideen für neue Technologien sowie innovative Konzepte und Modelle für das breite Handlungsfeld der öffentlichen Verwaltung,“ heißt es dazu auf der offiziellen Website. Diese Ideenlosigkeit unserer Regierung im Hinblick auf Digitalisierungsprozesse zeigt sich gerade auch im Bildungsbereich und ist uns ja seit Längerem bekannt.
Immerhin ist in der Ausschreibung des Ideenwettbewerbs auch die Erkenntnis zu finden, dass die „Personalsituation in der Landesverwaltung sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen [werde]“, insofern waren Einzelpersonen, vor allem aber auch Teams von Hochschulen, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen sowie Start-ups, Unternehmen, Verbände und Vereine aufgerufen, innovative Vorschläge einzubringen. Die ersten drei Plätze sind mit jeweils 25.000 dotiert. Da bleibt nur die Frage, ob das Land die vielen, vielen Ideen, die das Ministerium dann präsentiert bekommt, auch umsetzen kann. Das chaotische Vorgehen rund um digitale Endgeräte für Lehrkräfte in den letzten Jahren beispielsweise ist uns noch allzu deutlich in Erinnerung.
An anderer Stelle hätten wir uns allerdings dringend gewünscht, dass in Ermangelung eigener Ideen ein Wettbewerb ausgerufen worden wäre. Die jüngste „Weltenretter“-Kampagne der Landesregierung kam ja nicht so gut an: Postkarten zeigen unter anderem kopulierende Tiere, die zur Lehrkräftegewinnung beitragen sollen. Soso. Diese „Werbe“-Aktion ging wohl deutlich nach hinten los und man fragt sich ernsthaft: Wen will man damit wofür gewinnen?
06108 Halle (Saale)