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GEW-Mitglieder im Fokus

Jens Diedrich: Ein „Stehauf-Löwenmännchen“

Jens Diedrich arbeitet an einer halleschen Förderschule als Pädagogischer Mitarbeiter, für deren Belange er sich in der GEW in besonderer Weise einbringt – aber nicht nur für diese.

Seit 2017 arbeitet Jens Diedrich als Pädagogischer Mitarbeiter (PM) an der Förderschule mit Ausgleichsklassen „Janusz Korczak“ in Halle. „Nun bin ich also doch noch an einer Schule gelandet“, sagt der sportlich und deutlich jünger als seine 59 Jahre wirkende Mann lachend. Die Formulierung „doch noch“ hat ihren Grund, denn der ursprüngliche Berufswunsch des in Merseburg geborenen und in Gröbers aufgewachsenen Diedrich war Geographie- und Englischlehrer – ein Begehr, dass im Zuge der aus DDR-Zeiten bekannten Studienlenkung in ein Studium zum Deutsch- und Geschichtslehrer an der Martin-Luther-Universität in Halle mündete. „Aber genau im Fach Geschichte war es mir letztlich viel zu viel Oktoberrevolution & Co. und deutlich zu wenig Steinzeit, Antike und Mittelalter. Im vierten Semester habe ich hingeworfen“, erinnert sich unser Gesprächspartner an seinen seinerzeit gewiss höchst ungewöhnlichen Schritt.

Immerhin blieb Diedrich dem pädagogischen Bereich in einer gewissen Weise verbunden: „Ich habe dann im Lehrlingswohnheim des Volkseigenen Gutes in Gröbers, wo meine Eltern tätig waren, als Aufsichts- und Betreuungskraft, man kann schon sagen, als eine Art Hilfserzieher, meine Brötchen verdient und parallel dazu am Institut für Heimerzieherausbildung in Hohenprießnitz ein Fernstudium absolviert“, berichtet er. In den Nachwendewirren, das Volkseigene Gut und dessen Lehrlingswohnheim waren längst abgewickelt, landete er über zwischenzeitliche Stationen beim Jugendamt des Saalekreises sowie beim halleschen Schulamt – „Ich habe als Jugendpfleger in den Dörfern und später als sogenannter Freizeitpädagoge an der damaligen Steintorschule in Halle gearbeitet“ – 1995 beim Internationalen Bund (IB), wo er seine erste feste Anstellung erhielt. Und anschließend verschiedenste Tätigkeiten übernahm – in der Jugendhilfe, als Erzieher im Freizeitbereich und Hort, als Familienhelfer. Kurzum: Wo er sich über einen Zeitraum von stolzen 22 Jahren einen Erfahrungsschatz aneignete, der ihm nach seinem 2017 erfolgten Wechsel als Pädagogischer Mitarbeiter an die Förderschule „Janusz Korczak“ von großem Nutzen war und ist.

„Ich glaube, ich habe ein Talent, Leute zu ,lesen‘, kann diese daher gut auf- und einfangen, wenn man so will“, sagt Diedrich, dem es in seinem heutigen Berufsalltag als „Tandempartner“ des unterrichtenden Lehrers im Klassenraum obliegt, vorhandene soziale und emotionale Defizite seiner Schützlinge zu bearbeiten respektive auszugleichen. Apropos angestammter „Tandem-Lehrer“: Diesen, Vincent Große, kannte er noch vor seinem Wechsel an die Schule bereits von Landeskonferenzen der GEW her. „Ich bin Ende der 1990er-Jahre in die GEW eingetreten und habe in der Gewerkschaft noch zu meinen Zeiten beim IB, wo ich ab 2000 als freigestellter stellvertretender Betriebsratsvorsitzender für Sachsen-Anhalt tätig war, auf Landesebene mitgewirkt“, berichtet Diedrich.

Wenn er sich heute nur mehr als „einfaches GEW-Mitglied“ bezeichnet, stapelt er aber ein bisschen sehr tief: Denn weiterhin bringt er sich bei den ein- bis zweimal jährlich stattfindenden, seiner Aussage nach „extrem fachlichen“ Zusammenkünften des für die PM zuständigen Arbeitsbereiches Jugendhilfe/Sozialarbeit im GEW-Landesverband ein, arbeitet im GEW-Kreisverband in der AG Förderschulen mit und ist überdies Mitglied in der Bundestarifkommission für den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Und ein nimmermüder Aktivposten, wenn es darum geht, Kollegen für eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft, sprich fürs gewerkschaftliche Organisiertsein zu gewinnen. „Meckern allein reicht nicht; hinzu kommt: Es bringt und verändert ja auch nix“, rekapituliert Jens Diedrich sein Mantra. Er stelle in solcherlei Gesprächen auch immer ganz bewusst und gezielt auf die unmittelbare persönliche Betroffenheit des Gegenübers ab – bei den Schulsozialarbeiter*innen etwa auf den deren Stellenprofil sozusagen eingeschriebenen und nicht anders als prekär zu nennenden Aspekt des Sich-Entlanghangelns an mal ein-, mal zwei-, mal dreijährigen Projektfinanzierungen. Eine weitere Baustelle betrifft die Seinesgleichen: „Die PM wissen viel zu wenig über ihre tatsächlichen Rechte und Pflichten, weswegen sie potenziell leicht zu einer Art Spielball werden können. Da will ich Aufklärungsarbeit leisten – durchaus auch bei den Schulleitungen – und für die Vernetzung untereinander sorgen“, so Diedrich.

Dass er selbst als Vorkämpfer vorangeht (und von anderen auch in dieser Rolle gesehen wird, wie sein stetiges Gewähltwerden in den Personalrat verdeutlicht), führt der Mann, der seit diesem Mai zudem als ehrenamtlicher Schöffe in der Jugendkammer des Landgerichts engagiert ist, auf sein Naturell als „Stehaufmännchen“ zurück – und so ein klitzeklein wenig auch auf sein Sternbild Löwe: „Ist schon was dran an der Parallele: Ich kann deutlich werden und Dinge durchsetzen“, so der verheiratete Vater von inzwischen längst erwachsenen Zwillingssöhnen und bilanziert für sich: „Solche gesellschaftliche Arbeit ist notwendig, ansonsten funktionieren die Dinge nicht mehr.“