GEW-Mitglieder im Fokus
Jens Wiedemann: Heißes Herz trifft kühlen Kopf
Jens Wiedemann steht im Lehrerbezirkspersonalrat Halle sowie im GEW-Stadtverband der Saalestadt der Fachgruppe Grundschulen vor. Als Sportlehrer an der halleschen Diesterweg-Grundschule kennt der erklärte „Basisarbeiter“ die Alltagsherausforderungen im Pädagogenberuf genau.
Als „unverblümt und Mann des offenen Wortes“ beschreibt sich Jens Wiedemann selbst – und auch als jemanden, dessen „Zündschnur“ kurz und Reizschwelle, sich „hochzufahren“, von Haus aus niedrig sei. „Aber ich bin gereift: Wenn ich mich länger als 15 Sekunden aufrege, dann rege ich mich nicht mehr über die betreffende Angelegenheit an sich, sondern über mich selbst auf“, sagt der 60-Jährige bestimmt. Sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, das „heiße Herz“ sozusagen, gepaart mit einem Kopf, der immer besser die Kühle zu bewahren weiß: Das ist eine Kombination, von der nicht nur Wiedemanns Arbeit als Vorsitzender der Fachgruppe Grundschulen im Lehrerbezirkspersonalrat, sondern auch sein ehrenamtliches Engagement in gleichlautender Funktion im GEW-Stadtverband Halle profitiert. Und natürlich ebenfalls seine berufliche Tätigkeit an der Diesterweg-Grundschule der Saalestadt, wo der Sportlehrer seit 2018 wirkt.
Hier wie da wie dort verfolgt der Mann mit den kantig-energischen Gesichtszügen eine Politik der kleinen Schritte – Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. „Nehmen wir meine Arbeit an drei Tagen der Woche im Lehrerbezirkspersonalrat: Das Personalrecht ist ziemlich rigide und kleinteilig ausformuliert; da bleibt bei den Themen wie Einstellung, Eingruppierung, Abordnung oder Versetzung, mit denen wir uns befassen, oft kein allzu großer Spielraum, etwas im Sinne der Kollegen zu erreichen“, schätzt Jens Wiedemann nüchtern ein. „Umso größeren Wert haben dann die kleinen Schritte, die man geschafft, die kleinen Erfolge, die man erzielt hat: Das sind die Höhepunkte, die mich motivieren, trotz mancher Ernüchterung und Frustration entlang des Weges unverzagt weiterzumachen“, schildert der Hallenser. Die in diesem Jahr nach gefühlt ewiger „Kärrnerarbeit“ in den unterschiedlichen Gremien sowie in der öffentlichen Debatte erreichte finanzielle Gleichstellung und Eingruppierung der Grundschullehrer in Entgeltgruppe 13 sei ein solches emotionales Erfolgserlebnis gewesen – für ihn persönlich dennoch nicht völlig ungetrübt: „Bei der großen Demonstration am Sitz der Landesregierung in Magdeburg waren wir nicht einmal 1.000 Leute. Wenn ich mir vor Augen halte, dass es in Halle 30 Grundschulen mit je um die 15 Lehrkräften gibt, hätten doch eigentlich allein aus der Saalestadt fast 500 Leute dort aufschlagen müssen. Diese Gleichgültigkeit gegenüber den ureigensten Belangen, und die nicht selten anzutreffende ,Trittbrettfahrermentalität‘ à la ,Kämpft ihr mal schön für mich mit‘ sind mir ehrlich gesagt unverständlich“, sagt Jens Wiedemann, der seit 1993 GEW-Mitglied ist. „Das waren aus Lehrersicht ungemütlich-unruhige Zeiten damals; und es vermittelte mir ein gewisses Gefühl von Sicherheit, in den seinerzeit tobenden Tarifauseinandersetzungen eine starke Gemeinschaft mit vor allem auch juristisch kundigen Experten um mich zu wissen“, blickt er zurück und schickt nachdenklich hinterher: „Eigentlich haben wir heute doch wieder eine ganz ähnliche Situation, gerät namentlich der Rechtsschutz gegenüber so mancher Bedrängung wieder zunehmend in den Fokus.“
Sei er lange Zeit „ein ganz gewöhnliches Gewerkschaftsmitglied“ gewesen, habe ihn die Aufgabe als Schulpersonalrat, die man ihm an seiner Wirkungsstätte rasch anvertraute, und der damit verbundene Beratungsbedarf bei auftretenden Fragen immer öfter zum Lehrerbezirkspersonalrat in die hallesche Ernst-Kamieth-Straße geführt. „So ergab sich aus dem einen das andere und zog ich 2018 zunächst als Nachrücker in den Lehrerbezirkspersonalrat ein, ehe ich bei dessen Wahl 2020 dann auch die öffentliche Legitimierung dafür erhielt“, berichtet der Mann, der im kommenden Jahr erneut für dieses Gremium kandidieren will. „Mein Wirken dort ist von meinem Ehrenamt im GEW-Stadtverband nicht zu trennen, durchdringt und befruchtet einander.“
Jens Wiedemann verortet sein Engagement ganz ausdrücklich an der Basis, im direkten Austausch mit den Kollegen. „Wir müssen uns möglichst gut vernetzen – mit Landes- und Kommunalpolitik genauso wie mit anderen Akteuren vor Ort. Ich selbst beispielsweise bin einmal monatlich auch im DGB-Stadtverband Halle-Saalekreis zu Gast, um gemeinsame Aktionen, etwa zum 1. Mai, zu koordinieren“, berichtet er. Der Mann für die hochfliegenden landespolitischen Grundsatzreden sei er ganz sicher nicht, erklärt er lachend – eine Bodenständigkeit, die auch in anderen Lebensbereichen ihren Niederschlag findet: Seitdem ihn hartnäckige Knieprobleme dazu zwingen, sich von seinen geliebten Hochgeschwindigkeits-Sportarten wie Badminton oder Floorball fernzuhalten, hat er sich aufs Wandern und das – durchaus ambitionierte – Bergwandern verlegt. In den Sommerferien war er gerade erst in den Vogesen und absolvierte dort anspruchsvolle Touren. „Zudem fotografiere ich sehr gern, habe meinen Garten und spiele für den Hausgebrauch ein wenig E-Gitarre – so lade ich meine persönlichen Batterien auf.“