Mahnwache vor dem Landtag
Landesweiter Kinder- und Jugendschutz vor dem Aus
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hält entgegen zahlreicher Proteste aus der Fachebene an der Abwicklung der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz von fjp>media fest. Mit einer Mahnwache haben die Beschäftigten am Freitag, den 23. Februar vor dem Landtag auf den Schaden für Heranwachsende, Eltern und Fachkräfte aufmerksam gemacht.
Als einzige landesweit wirkende Fachstelle leistet die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz seit 2015 einen zentralen Beitrag zur Prävention von Gewalt und Radikalisierung sowie im Jugendmedienschutz. Sie bietet Fachkräften aus Schule, Sozialarbeit, Polizei und Verwaltung themenspezifische Fortbildungen zu aktuellen Gefährdungen und Präventionsmöglichkeiten, berät und vernetzt die Jugendschutzverantwortlichen der Landkreise und kreisfreien Städte. In Angeboten für Kinder und Jugendliche stärken die Fachleute der Servicestelle die Resilienz der Heranwachsenden und geben ihnen Strategien gegen gefährdende Einflüsse an die Hand. Zudem unterstützt und informiert die Servicestelle Familien in erzieherischen Fragen.
So gab es im Jahr 2023 insgesamt 94 Bildungsangebote mit 1.841 Kindern und Jugendlichen, 92 Fortbildungen mit 1.708 Fachkräften, 29 Elternabende mit 571 Personen und 9 Eltern-Kind-Informationsveranstaltungen mit 403 Personen.
Außerdem erarbeitet die Servicestelle spezifische Fachinformationen zum Kinder- und Jugendschutz. Dazu gehören pädagogische Hilfe für Eltern und Lehrkräfte zum Umgang mit Kinderpornografie in Messenger-Diensten, zu Cybermobbing, Internetchallenges und medialen Gewaltdarstellungen oder eine Broschüre über Kinderrechte in Ukrainisch für junge Geflüchtete.
Bislang wird die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz für diese Aufgaben vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung institutionell gefördert. Im vergangenen Herbst kündigte das Ministerium jedoch überraschend an, die Förderung zum Jahresende 2024 einzustellen.
Zahlreiche Fachverbände und -institutionen, aber auch Jugendämter kritisieren seitdem die Pläne des Sozialministeriums. Organisationen wie die Sportjugend Sachsen-Anhalt, der Paritätische Landesverband, der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt, aber auch die Sozialdezernenten aus Halle und Magdeburg und der Jugendamtsleiter der Stadt Dessau-Roßlau betonen in ihren Stellungnahmen die wichtige und erfolgreiche Arbeit der Servicestelle und sprechen sich für eine Fortsetzung der bewährten Förderung aus. Auch der Landesjugendhilfeausschuss als zentrales Gremium für Kinder- und Jugendfragen des Landes distanzierte sich vom Vorgehen des Sozialministeriums und forderte ein Umdenken. Die Fraktion DIE LINKE bezeichnete in einer Presseerklärung das Ende der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz als „skandalös“. Gewachsene Netzwerkarbeit, vertrauensvolle Kooperationsstrukturen sowie Arbeitsplätze von hochmotivierten Jugendschützer*innen werde zerstört, weil der Träger der obersten Landesjugendbehörde augenscheinlich nicht zusagt, äußert die LINKE.
„Gerade in der aktuellen Zeit ist die Medienbildung und die wertvolle Arbeit der Servicestelle wichtiger denn je. Das ist wieder ein Beispiel dafür, wie das Land Sachsen-Anhalt unverzichtbare Einrichtungen zur Bildung, Förderung und Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen offenbar ersatzlos streicht. Auch die Kündigung der engagierten Mitarbeiter*innen ist schlichtweg nicht hinnehmbar“, sagt Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt.
Selbst der Landesrechnungshof konnte die Entscheidung der Landesregierung nicht nachvollziehen: Die Kosten für einen Dienstleistungsvertrag seien höher als nach der bisherigen Förderart, daher sehe man diese Entscheidung als problematisch an, erklärte eine Vertreterin im Finanzausschuss des Landtages. Bislang blieben derartige Einwände im Sozialministerium ohne Resonanz. Das Haus hält an seinem Vorhaben fest und forderte den Jugendverband fjp>media als Träger der Servicestelle schriftlich auf, sich auf die veränderte Situation einzustellen und nötige Anpassung insbesondere bei „Verträgen (z.B. für Mietobjekte oder für Personal) zu berücksichtigen“. Im Klartext: Alle Beschäftigten der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz müssen bis zum Jahresende gekündigt, alle Verträge mit Vermietern und Dienstleistern, aber auch Mitgliedschaften in Fachverbänden und Gremien beendet werden.
„Die Entscheidungen des Sozialministeriums zeigen Folgen: Die Stimmung im Team der Servicestelle ist geprägt von Unverständnis, Resignation und Zukunftsängsten, eine erste Beschäftigte hat ihr Arbeitsverhältnis beendet. Wir wissen angesichts der großen Nachfrage nicht, wie wir alle Aufgaben schaffen sollen. Die Verunsicherung durch die Pläne zur Abwicklung der Servicestelle schaden nachhaltig der Prävention und dem Schutz von Heranwachsenden“, so Mattes Kersting vom Vorstand des Trägervereins fjp>media.
Hintergrund:
fjp>media ist der Verband junger Medienmachender in Sachsen-Anhalt. Gegründet durch Schülerzeitungsredakteur*innen vertritt der Verband seit 1991 die Interessen aller jungen Menschen, die selbstbestimmt an Online-Medien, Hörfunkprojekten, Video-Produktionen und bei Zeitungen arbeiten. In Magdeburg bietet fjp>media im Medientreff zone! neben einem offenen Angebot viele medienpädagogische Projekte für Kinder und Jugendliche sowie Multiplikator*innenenschulungen. Für junge Medieninteressierte organisiert fjp>media landesweit Workshops und Seminare rund ums Medienmachen. Die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz von fjp>media steht Heranwachsenden, Familien und Fachkräften mit Information, Beratung und Bildungsangeboten zu Fragen des Kinder- und Jugendschutzes zur Seite. Mit dem Projekt „Fairsprechen – Hass im Netz begegnen“ unterstützt fjp>media Zivilcourage gegen Hass im Netz. Die Fachstelle Medienpause zur Prävention exzessiver Mediennutzung arbeitet mit jungen Menschen und ihren Bezugspersonen auf einen ausgewogenen und gesunden Medienkonsum hin.