Kolumne „(un)klare Sache“
„Mensch ärgere dich …“
Jürgen Köhler-Grundmann verfasst regelmäßig für unser Mitgliedermagazin „klar!“ eine Kolumne über gesellschafts- und bildungspolitische Themen.
„Wenn wir heute mit der Erde spielen oder gegen sie, was wird in tausend Jahren darüber zu lesen sein?“ Hannah hatte ihr Seminarthema „Spielen“ mit Bedacht gewählt, mit der Erwartung, einige allgemeine Probleme berühren zu können. Jetzt stellt sie – etwas unsicher – diese große Frage und sieht sich sofort einem Einwand gegenüber: „Mit der Erde wird nicht gespielt.“ Lächelnd zitiert sie Schiller: „Der Mensch […] ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.„“
Um nun etwas aus dem bunten Leben in ihre Vortragsstunde zu holen, teilt Hannah an die Studierenden ihrer Gruppe Spielbretter, Figuren, Würfel aus; und sogleich folgen fröhliche Jubelrufe wie auch jammernder Ärger. „Aber schön alle Regeln einhalten – wie es von jedem Spiel verlangt wird“, glaubt sie hinzufügen zu müssen. Nun mäandern Zufälle über die Spieltische. Figuren fliegen von den Brettern und müssen sich erneut anstellen. Ein Beinahe-Sieger klagt: „Ach nee, ich möchte nicht spielen, wenn ich nicht sicher bin, dass ich gewinnen werde.“
Daraus leitet Hannah die Erwartung ab, ein Spielende vorhersagen zu können: „Das gelingt nur recht selten, wie in dem folgenden Zählspiel: Ich gebe euch die „1“ vor. Eine Person addiert dazu mindestens 1, aber höchstens 10 und sagt das Ergebnis. Zu dem addiere ich wiederum mindestens 1, doch nicht mehr als 10, und nenne euch die resultierende ganze Zahl. Dann seid erneut ihr dran und so weiter im Wechsel. Wer nach diesem Prinzip zuerst 100 erreichen, hat gewonnen.“ Das einsetzende Grübeln unterbricht Hannah mit der überraschenden Mitteilung: „Ich werde gewinnen; das ist gewiss. Ihr habt keine Chance. Überlegt bitte, warum das so ist – ich leiste mir inzwischen einen Kakao.“
Nach wenigen Minuten wird Hannah erregt im Seminar begrüßt: „Wir können nicht sagen, warum du beim Zählen gewinnst – das ist sehr ärgerlich. Doch sind wir uns einig: In Kriegsspielen gibt es nur Verlierer. Warum lassen wir uns dann Kriege überhaupt gefallen?
In diesem Augenblick erinnert Hannah an den Nobelpreisträger Nash, der Kooperation als wesentlichen Teil menschlichen Handelns erkannt hat: „Klar, die Regeln eines Spiels zwischen Menschheit und Erde sind unüberschaubar komplex, sind nicht zu vergleichen mit denen des trivialen Zählens von eben. Immerhin können wir täglich erleben, wie die Erde auf unsere Strategien reagiert – und wir werden kaum schlauer, gewinnen zu wenig Klugheit aus Niederlagen. Bildung muss her – vom Lächeln über Lernen bis Lust und Liebe. Also sehr viel mehr Bildung und damit gut zu begründende Verantwortung“, lautet Hannahs Handlungsempfehlung. „Betrachtet nunmehr den laufenden Wahlkampf als ein Spiel – bereits das Wort ‚Kampf’ auszusprechen fällt mir schwer. Wer spielt hier gegen wen oder mit wem? So wird verschiedentlich versucht, Kreuzchen mit verlockenden Steuersenkungen einzufangen. Doch wie soll die perfekte Finanzierung der Bildung in all ihren Phasen gelingen?“ Es schließt sich ein Wettbewerb von Ideen an, den Hannah mit dem Wunsch beendet: „Nehmen wir uns vor, nicht in jede Debatte die Reste des Silvesterfeuerwerks zu schmeißen.“