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Erfahrungen von Seiteneinsteigenden in Sachsen-Anhalt

Probleme bei Fächeranerkennung und Eingruppierung

Die GEW Sachsen-Anhalt und die Personalräte werden immer wieder von Quer- und Seiteneinsteigenden kontaktiert, die über Probleme beim Seiteneinstieg berichten. Um zu verdeutlichen, wie schwer es den neuen Kolleg*innen oftmals gemacht wird, haben wir hier mal drei Fallbeispiele zusammengetragen.

Eine, die auszog, um lehren zu dürfen

Ich heiße Luisa und habe in England gelebt und zwei Jahre dort als Sonderpädagogik-Lehrerin gearbeitet. Aufgrund von Corona und Brexit wollte ich dann wieder nach Deutschland zurückkehren und habe gegoogelt, welches Bundesland den größten Lehrkräftemangel hat. Das war Sachsen-Anhalt und ich habe mich relativ schnell entschieden, dass ich nach Sachsen-Anhalt gehe, um dort als Lehrerin zu arbeiten. Ich habe eine ganz nette Schule gefunden und wurde sofort angestellt, obwohl das Masterzeugnis noch nicht vorlag, und war zunächst als Vertretungslehrkraft tätig. Meine Überlegung war, abzuwarten, bis mein Masterzeugnis da ist und danach ins Referendariat zu gehen. In Vorgesprächen mit der Schulbehörde und der Schule hörte sich das alles so an, als würde das klappen. Doch dann kam alles anders.

Als ich dann mein Masterzeugnis eingereicht habe, hieß es auf einmal, dass es mir rechtlich nicht möglich wäre, ins Referendariat zu gehen. Laut Gesetzeslage seien dem Schulamt die Hände gebunden. Wie kann das sein? Alle Bemühungen des Personalrates, meiner Schulleiterin und der GEW Sachsen-Anhalt haben nichts gebracht. Ich habe einen Bachelor in Deutschland gemacht für Deutsch und Geschichte auf Lehramt. Mit diesem Bachelor habe ich in England als Lehrerin für Deutsch gearbeitet und dort nebenberuflich Sonderpädagogik studiert. In Sachsen-Anhat wurde nur geschaut, ob das Fach, mit dem man sich im Seiteneinstieg bewerben möchte, Masterniveau hat. Auf Grundlage meines Bachelors wurde ich in die E 11 eingruppiert und Deutsch wurde mir als Fach anerkannt. Mein Master mit Auszeichnung, der für mich als Deutsche in England eine wirkliche Herausforderung war, wird vom Land Sachsen-Anhalt leider mit der Begründung ignoriert, dass er nicht auf den Bachelor aufbaut. Die Credits für das Fach Deutsch aus meinem Bachelor übersteigen sogar die für das Fach geforderte Creditanzahl des Staatsexamens in Sachsen-Anhalt, dennoch wird mir nicht die Kombination Deutsch und Sonderpädagogik anerkannt.

Da mir das Bundesland Sachsen-Anhalt solche Steine in den Weg gelegt hat – man behandelte mich so, als hätte ich keinen Master! –, musste ich mir zügig eine Alternative suchen. Ich hatte meine Unterlagen nach Bremen geschickt und Bremen hat sofort meine Abschlüsse anerkannt und mir eine Stelle zum nächstmöglichen Zeitpunkt angeboten. Nun bin ich seit Februar in Bremen und musste hier in Sachsen-Anhalt einen Job aufgeben, der mir Spaß gemacht hat – in einer tollen Schule mit einer netten fünften Klasse. Alle wareb ganz traurig und ich war es auch. Mein Mann und ich haben uns in Sachsen-Anhalt ein Haus gekauft, das nun wieder verkauft werden musste. Leider konnten wir uns hier keine Zukunft aufbauen. Und mein Mann ging mit; damit hat Sachsen-Anhalt eine weitere Arbeitskraft verloren.

Meiner Meinung nach dürfte das Land Sachsen-Anhalt nicht aufgrund von Gesetzesvorschriften den Menschen Beine stellen. Der Begriff „Masterniveau“ kann total individuell sein – das lässt sich nicht definieren. Wann beginnt man endlich damit, die Seiteneinsteigenden anhand ihrer tatsächlichen Berufserfahrung und -eignung zu bewerten?  

E 11 ist frustrierend!

Ich bin Martin und habe meinen Abschluss an einer Fachhochschule absolviert und danach als Lehrer an einer Privatschule gearbeitet, bevor ich mich vor fünf Jahren dazu entschlossen habe, als Quereinsteiger in einer Berufsbildenden Schule anzufangen.

Die Schwierigkeiten gingen schon bei der Einstellung los. Natürlich ist der Einstieg an sich herausfordernd, allerdings habe ich noch fast zwei Monate lang warten müssen, bis mir meine Chefin mitteilte, dass ich überhaupt eingestellt worden bin. Als ich dann meinen Arbeitsvertrag vorgelegt bekam, musste ich erstmal den Kopf schütteln. Das Ärgerliche daran war nämlich, dass ich mich nicht für den Seiteneinstieg als Berufschullehrer entschieden hätte, wenn ich vorher gewusst hätte, dass man mich nur so gering eingruppiert. Für die E 13 wurden mir Fächer nicht anerkannt, obwohl ich deren Abschlüsse hatte. Ich habe das Fach Physik von meiner Fachhochschule nicht anerkannt bekommen, bin aber nun als Lehrer für den Bereich Physik zuständig und plane den kompletten Physikunterricht – dafür ist man dann gut genug. Aber berücksichtigt wurde eben dies bei meiner Einstellung nicht. Ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht, das Bundesland zu wechseln, weil ich beispielsweise in Sachsen mehrere hundert Euro im Monat mehr verdienen würde – zwei Kolleg*innen aus meiner Schule sind vor Kurzem genau deswegen nach Thüringen gegangen. Generell mache ich den gleichen Job wie alle anderen hier, bekomme aber nur die E 11 und nicht die E 13. Und ein berufsbegleitendes Studium nebenher kann ich nicht machen, weil mir mein zweites Fach nicht anerkannt wird. Das ist an der Berufsschule besonders schwer, weil es sich da vorrangig um technische Fächer handelt und nicht um die Fächer, die in Magdeburg angeboten werden. Das Wichtigste für mich wäre, dass ich nach mehr als fünf Jahren nun endlich auch mal das gleiche Geld für die gleiche Arbeit bekommen sollte.

Das ist meine Geschichte. Was mich an der Schule hält, ist mein tolles Kollegium, das mich zögern lässt, in ein anderes Bundesland zu gehen.  

Ich war Hanna ...

... und habe mich nach Kettenbefristungen im Hochschulbereich für den Seiteneinstieg als Lehrerin entschieden. Das Landesschulamt hat mir auf Grundlage meines Magisterstudiums der Galloromanistik und Germanistischen Sprachwissenschaft Französisch als vollwertiges Unterrichtsfach anerkannt, bei Deutsch wurde dies verweigert, jedoch immerhin als Neigungsfach eingestuft. Mit meiner (Arbeits-)Lebensrealität der letzten zwölf Jahre – als Lehrkraft an Hochschulen für die germanistischen Schwerpunkte Grammatik und Texterstellung – ist diese Entscheidung nur bedingt kompatibel. Als Entscheidungsgrundlage dienten ausschließlich alte – und flexibel interpretierbare – Studienordnungen aus Magisterzeiten. Dass ich zudem promovierte Germanistin (im Fach germanistische Sprachwissenschaft) bin, war ebenfalls nicht relevant.

Ich war Hanna. Wer bin ich jetzt?

Mittlerweile sind einige Wochen vergangen. Der Vertrag ist unterschrieben. Eingruppierung passt. Alles ist relativ geräuschlos abgelaufen. Nun wächst die Vorfreude auf die bevorstehenden Aufgaben von Tag zu Tag. Ich bin neugierig auf den vorgeschalteten Seiteneinsteigerkurs. Gibt es viele mit einer vergleichbaren Vita? Bin ich Exot? Zur Vorfreude gesellt sich auch etwas Skepsis: Packe ich alles? Werde ich verheizt? Die Signale meiner Schule stimmen mich hinsichtlich meiner Bedenken mehr als positiv. Ich bin auf den neuen Weg sehr gespannt!