Verfehlte Schulpolitik
Schuldig!
Die GEW Sachsen-Anhalt begleitet seit Jahrzehnten die Schulpolitik unseres Bundeslandes kritisch. Dabei ging und geht es uns mehr um Problemlösungen als um Schuldzuweisungen. Allerdings müssten wir auch Gehör finden. Das war in der Vergangenheit tatsächlich öfters der Fall und die gemeinsamen Lösungen aus der Zusammenarbeit von Kultus- bzw. Bildungsministerium mit der GEW waren sehr tragfähig. Sind diese Zeiten vorbei? Hoffentlich nicht! Jetzt können wir nur anmahnen, wieder auf uns zuzugehen. Mit dem Vorgehen heute macht sich die Schulpolitik an Kindern, Lehrkräften und Eltern schuldig.
Im Folgenden fasse ich die schlimmsten Entgleisungen derzeit zusammen:
Personalausstattung der Schulen: Die Gemeinde Elsteraue wendet sich mit einem Offenen Brief an Bildungsministerin Eva Feußner. An der Grundschule Tröglitz liegt die Unterrichtsversorgung bei aktuell 74 Prozent. Am Professor-Friedrich-Förster-Gymnasium in Haldensleben streiken die Schüler der 10. Klasse. Sie sind der Meinung, dass ihnen der Lernstoff in Französisch durch einen eingestellten Seiteneinsteiger nicht richtig vermittelt wird. Diese beiden Beispiele zeigen symbolisch das Elend der Lehrkräfteversorgung im Land. Vor mehr als 20 Jahren versäumten es die verantwortlichen Politiker*innen, die richtigen Weichen für die Lehrkräfteausbildung zu stellen. Stattdessen sparten sie das System Schule kaputt. Jetzt fällt das Umsteuern unsagbar schwer. Die Begleitung der Seiteneinsteigenden erfolgt in einer Hau-Ruck-Manier und sorgt dafür, dass mehr als 80 Seiteneinsteigende im Kalenderjahr 2023 das Schulsystem bereits wieder verlassen haben.
Arbeitsbelastung: Die Beschäftigten an den Schulen fühlen sich wie eine Zitrone, aus der man den letzten Saft herauspresst. 54 Prozent der Lehrkräfte verlassen mit Vollendung des 63. Lebensjahres den Schuldienst. Ursachenforschung im Bildungsministerium? Fehlanzeige! Mit dem Geschwafel, die Rentner*innen über Bonuszahlungen zu locken, 1,2 Millionen für Headhunter auszugeben und Erzieher*innen als Lehrkräfte einzustellen, versucht man Konzepte aufzustellen. Auf Grundlage des TV-L § 16 Absatz 5 könnte man Zulagen zur Personalbindung zahlen. Weshalb wird das nicht getan? Was würde passieren, wenn man ernsthaft über alternsgerechte Arbeitsbedingungen mit Gewerkschaften und
Verbänden verhandeln würde? Stattdessen wandern wir sehenden Auges in die Katastrophe und bejubeln auf Ministerebene das Urteil zur Vorgriffstunde.
Zahlungsverzug bei Vorgriffstunden: Noch immer ist es nicht gelungen, alle Vorgriffstunden aus dem vergangenen Schuljahr auszuzahlen. Mit dem im Januar eingeführten Online-Portal erfassen die Schulen jetzt die Stunden aus dem laufenden Schuljahr. Digitalisierung und Arbeitserleichterung? Fehlanzeige! Am anderen Ende der Meldekette übertragen Beschäftigte im Landesschulamt diese Zahlen händisch in das nächste Erfassungssystem. Der Personalbestand des Schulamtes ist unterbesetzt und überlastet. So vergehen weitere Monate, in denen das Land den Beschäftigten einen Millionenbetrag schuldet.
A 13/E 13 für alle? Fehlanzeige! Ein handwerklich schlecht gemachtes Konzept verhindert, dass die sogenannte Gruppe der Nicht-Erfüller (Freundschaftspionierleiter*innen mit einem fehlenden Hauptfach und Erzieher*innen mit Lehrbefähigung) in den Genuss der E 13 kommen. An den Schulen leisten diese Beschäftigten die gleiche Arbeit wie alle anderen Lehrkräfte! Für diese insgesamt 69 Beschäftigten ist das Land nicht bereit, eine Lösung zu suchen. Stattdessen setzt man auf eine biologische Lösung (alternsbedingtes Ausscheiden). Seltsam nur, dass es im Freistaat Sachsen eine Lösung gibt und die dortigen Kolleg*innen die E 13 erhalten!
Digitalisierung im Schulalltag: Noch immer rühmt sich das Ministerium damit, dass alle Lehrkräfte ein digitales Endgerät haben. Dabei verschweigt man geflissentlich, dass diese Geräte de facto „nackt“ ausgeliefert wurden – kein Betriebssystem und kein Office. Die Verhandlungen mit Microsoft ruhen! Zentrale Administration? Fehlanzeige! Wenn der Zyklus der Abgabe der Geräte erreicht ist, werden sie wohl zentral gewartet der Verschrottung zugeführt. Stellenweise dann im Originalzustand!
Personalpflege: Ja, es gibt sie, Schulleitungen und Kollegien, die verantwortungsbewusst mit der Arbeitsbelastung umgehen. Wertschätzung spiegelt sich an diesen Schulen in einem gemeinsamen Miteinander wider. Aber es gibt leider auch andere Beispiele. Da werden Fortbildungen im Umfang von vier Stunden nach Schulschluss festgelegt, Nachbereitungstage schon jetzt in die erste Woche des Schuljahres 2025/26 gelegt oder aber Urlaubssperren für die Herbstferien verhängt. All dem Treiben schaut das Bildungsministerium tatenlos zu. Es gibt leider keinen Erlass gegen Dummheit Einzelner, aber es gäbe andere Instrumente, dem Einhalt zu gebieten.
Arbeitszeiterfassung: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem Urteil von Mai 2019 Arbeitgeber verpflichtet, die volle Arbeitszeit ihrer Beschäftigten ab der nullten Stunde systematisch zu erfassen; das Urteil soll für mehr Arbeitsschutz sorgen und ausufernde Arbeitszeiten eindämmen. Wider besseren Wissens hat die Kultusministerkonferenz im Juli 2023 die Befreiung von der Dokumentation für Lehrkräfte beim Bundesministerium für Arbeit beantragt. Dem jedoch erteilte das Bundesministerium eine deftige Absage. Seit nunmehr fünf Jahren vermag es das Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt allerdings nicht, entsprechende Regelungen mit Gewerkschaften und Verbänden zu diskutieren. Die Verletzung der Dokumentationspflicht wird bewusst in Kauf genommen. Damit werden Arbeitsschutzbestimmungen verletzt!
Im Internet las ich neulich, dass man darauf hoffe, außerirdische Intelligenz zu finden, denn die hiesigen Vorräte gehen zur Neige. Tatsächlich ist es so, dass wir nicht parteiübergreifend nach der Intelligenz oder aber nach intelligenten Konzepten suchen. Schüler, Lehrkräfte, Eltern und unsere Gesellschaft hätten aber genau das verdient!