„Modellprojekt 4+1“
Soll die Schulpflicht aufgeweicht werden?
Die Debatte über die 4-Tage-Woche in einem Dutzend Sekundar- und Gemeinschaftsschulen in Sachsen-Anhalt hat im hiesigen Landtag einen eskalierenden Streit entfacht. Thomas Lippmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und bildungspolitischer Sprecher der LINKEN, hat sich in einer Presseerklärung im Juli geäußert, dass sich das Bildungsministerium bei der Erprobung einer 4-Tage-Unterrichtswoche nicht auf den Landtagsbeschluss vom 24. Februar 2022 berufen könne.
Im Plenum sei von der Regierungskoalition zwar beantragt worden, „den Schulen in Sachsen-Anhalt zusätzliche Freiräume in der konzeptionellen Unterrichtsplanung und -durchführung zu geben […]“, allerdings sei dabei immer nur von dem inneren Organisationsmodell einer 80+10-Minuten-Teilung des Unterrichts die Rede gewesen. Zu keinem Zeitpunkt sei vorher eine 4-Tage-Woche erwähnt worden. Weiterhin sei es auch nicht zutreffend, dass der Modellversuch nur auf das Schuljahr 2022/2023 ausgerichtet ist. In allen einschlägigen Papieren sei davon zu lesen, dass das Ziel in einer schnellstmöglichen Überführung in das Regelsystem bestehe. Spätestens ab 2024/2025 soll es offenbar von möglichst allen Schulen der Sekundarstufe I praktiziert werden.
„Es ist parallel zu prüfen, welche schul- und arbeitszeitrechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme dieser Modelle in den Regelbetrieb unserer Schulen geschaffen werden müssen.“ (Antrag)
„Die gewonnenen Erfahrungen zu alternativen Unterrichtsorganisationsmodellen sollen vom LISA mit den Schulleitungen der Schulformen und dem Landesschulamt auf Übertragbarkeit in den schulischen Regelbetrieb hin überprüft werden.“ (Antrag)
Zwar betone das Bildungsministerium immer wieder, dass das vorgeschlagene Modellprojekt keine Maßnahme sei, die dem Lehrkräftemangel begegnen und damit auf keinen Fall eine Erhöhung der Arbeitsverpflichtung der Lehrkräfte erreicht werden soll, so spräche der Antrag der Koalitionsfraktionen hierzu eine andere Sprache.
„Es ist parallel zu prüfen, welche schul- und arbeitszeitrechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme dieser Modelle in den Regelbetrieb unserer Schulen geschaffen werden müssen.“ (Antrag)
„Die unzureichende Unterrichtsversorgung, insbesondere an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und die immer schwieriger werdende Nachwuchsgewinnung von Lehrkräften lassen die politisch Verantwortlichen zu dem Schluss kommen, neue Wege zur Sicherung des Unterrichts an den Schulen Sachsen-Anhalts ins Auge zu fassen.“ (Begründung)
„Es ist angesichts des landesweiten Lehrkräftemangels unbedingt notwendig, den Schulleiterinnen und Schulleitern weitere Instrumente zur Flexibilisierung der Unterrichtsorganisation und zum effizienteren Personaleinsatz in die Hand zu geben.“ (Begründung)
„Es sind ‚potemkinsche Schulen‘, die Bildungsministerium und Regierungskoalitionen der Öffentlichkeit vorgaukeln, wenn behauptet wird, es solle den Schulen lediglich ‚zusätzliche Freiräume in der konzeptionellen Unterrichtsplanung und -durchführung gegeben werden‘“, sagt Thomas Lippmann. In den vergangenen 30 Jahren habe sich die Landtagsregierung noch nie für pädagogische Innovationen oder die Gestaltungsspielräume von Schule interessiert. Lippmann sieht in dem vorgeschlagenen 4-Tage-Modell einen Versuch, „die Schulen massiv zu diesem ‚Schulversuch‘ zu drängen“ und „die Schulpflicht aufzuweichen und die Schüler*innen der Sekundar- und Gemeinschaftsschulen für einen Tag aus der Verantwortung durch die Schulen zu entlassen“.
Weiterhin kritisiert DIE LINKE, dass dieses Unterrichtsmodell lediglich für Sekundar- und Gemeinschaftsschulen so wichtig sei, dass es möglichst schnell an diesen Schulformen in den Regelbetrieb überführt werden solle, und für Gymnasien nicht. Dies sei in der mangelnden Unterrichtsversorgung begründet, die bei Gymnasien weiterhin im Schnitt bei fast 100 Prozent liege und bei Sekundar- und Gemeinschaftsschulen im Schuljahr 2022/2023 offiziell weit unter 90 Prozent und tatsächlich deutlich unter 80 Prozent liegen werde.