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GEW-Mitglieder im Fokus

Stefanie Köppe: „We can work it out“ – „Wir bekommen das hin!“

Die Hallenserin Stefanie Köppe engagiert sich im Stadtvorstand der GEW sowie in weiteren Ehrenämtern. Wie die zweifache Mutter zu ihrer Berufung fand – und was ihr auf den Nägeln brennt.

Foto: Andreas Löffler

Stefanie Köppe hat mit ihren Schützlingen an der Schule des Lebens „Helen Keller“ in Halle gerade das Thema Beatles behandelt, als sie uns nach Unterrichtsschluss zum Interview empfängt. Und je weiter unser Gespräch mit der jungen Frau, die jüngst zur stellvertretenden Vorsitzenden des GEW-Stadtverbandes Halle gewählt wurde, voranschreitet, desto mehr Parallelen zu Songs der „Fab Four“ aus Liverpool lassen sich im Engagement der 37-Jährigen entdecken.

 

„Help!“

Dass Stefanie Köppe heute an einer Förderschule unterrichtet, war ihr keineswegs in die Wiege gelegt – und irgendwie vielleicht doch, denn als Tochter eines Hausmeisters mit Dienstwohnung vor Ort ist die gebürtige Hallenserin tatsächlich in einem Schulgebäude aufgewachsen. Beruflich schlug sie zunächst eine Laufbahn zur Bürokauffrau ein und fand einen Ausbildungsplatz im Dekanat des Fachbereichs Erziehungswissenschaften der Uni Halle, anschließend trat sie eine Stelle im Institut für Kunst-, Orient- und Altertumswissenschaften der MLU an. Doch mit der Geburt ihres infolge von Gendefekten schwer beeinträchtigten Sohnes Nicklas im Jahr 2007 war Köppes Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt. „Die ersten drei Jahre lang verbrachten wir beinahe nur im Krankenhaus; an eine Rückkehr an meinen angestammten Arbeitsplatz war nicht zu denken.“ Also totaler Kurswechsel: Nicht zuletzt der persönlichen Betroffenheit entspringend, lässt sich die zweifache Mutter zur Heilerziehungspflegerin ausbilden und arbeitet mit behinderten Menschen, genauer: mit erwachsenen behinderten Menschen. „Während dieser Tätigkeit landete ich ganz oft beim Gedanken: Mensch, da hätte man doch schon viel früher ansetzen können, wenn nicht sogar müssen: Wer weiß, welche Kompetenzen die Betreffenden dann entwickelt hätten.“ Köppe, inzwischen 31, nimmt 2015 ein Studium der Sonderpädagogik auf.

 

„Revolution”

Bereits als Studentin kommt sie mit der GEW in Kontakt. „Es galt, gegen Fehlentwicklungen in der Ausbildung anzukämpfen“, berichtet die Hallenserin, die beispielsweise schon 2016 und auf Landesebene(!) eine Podiumsdiskussion zur dringenden Erforderlichkeit von deutlich mehr Pädagogischen Mitarbeiter*innen an den Schulen auf die Beine stellte. Und die nach Studienabschluss ihr gewerkschaftliches Engagement nicht nur fortsetzte, sondern sogar noch intensivierte.

 

„The long and winding road”

Einen Beliebtheitspreis gewänne man damit ganz bestimmt nicht – dennoch will sich die erforderlichenfalls durchaus resolute Frau von mancher Erstarrtheit, Verzagtheit oder Gleichgültigkeit in ihrem Umfeld nicht bremsen lassen. „Besser geht immer. Wenn ich etwas kritisiere und auf Veränderung dränge, heißt das ja nicht zwingend, dass der Stand der Dinge grottenschlecht ist – aber eben auch nicht optimal“, findet sie. „Nehmen wir mein unmittelbares Tätigkeitsgebiet: Es geht doch um die Kinder und deren optimale Entwicklungschancen und damit letztlich ein Stück weit sogar um die Frage: Wie soll unsere Gesellschaft beschaffen sein?“, sagt Stefanie Köppe mit Nachdruck. Gerade ihre Schützlinge wiesen neben ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung oft noch weitere Handicaps wie die Herkunft aus einem schwierigen Milieu oder einen Migrationshintergrund auf, so dass die Elternhäuser kaum Unterstützung geben könnten. „Es geht mir nicht darum, den Kindern etwas abzunehmen. Sie müssen sich selbst für sich stark machen. Aber genau das müssen sie lernen – und zwar unter bestmöglichen Bedingungen“, betont sie.

 

„Eight days a week“

Dass viele schon lange bestehende und bekannte Missstände jetzt komplett der Pandemie angelastet werden, ist ihr ein Dorn im Auge. „Klar haben wir zehn iPads an der Schule – aber eben bloß einen einzigen Internet-Hotspot im Sekretariat – weit entfernt von den Klassenräumen“, schildert sie. Doch weil gerade die Verwendung digitaler „Learning Apps“ auf unkomplizierte Weise die individuell „passgenaue“ Ansprache ihrer Schüler erlaube, hat sie jetzt ihr privates monatliches Datenvolumen auf 20 GB aufgestockt, setzt das eigene Handy als Hotspot ein. „Man muss aufpassen, dass man nicht in die Falle des ,Fluchs der guten Tat‘ tappt und mit seinem extra Engagement die Fehlstellen im System zukleistert. Andererseits brauche ich ja genau jetzt eine Lösung – im Sinne der Kinder.“ Warum sie sich als Alleinerziehende mit einem gehandicapten Kind zusätzlich zu einem ohnedies schon prallvollen Jobpensum auch noch im Ehrenamt einbringt (richtiger: in Ehrenämtern, denn die GEW-Aktivistin ist außerdem Schulelternratsvorsitzende in der Bildungseinrichtung ihres Sohnes sowie Vorstandsmitglied im Landesverband Sonderpädagogik) – und das an jeweils exponierter Stelle? „Weil ,Von nüscht kommt nüscht‘ gilt und ich da wirklich etwas bewirken kann“, bringt Stefanie Köppe ihre Motivation auf den Punkt. „Das ist – neben unserer Labrador-Hundedame Ronja – ganz ernsthaft meine Freizeitleidenschaft. Ich mag es, zu organisieren und zu koordinieren, gehe gern in Gespräche: Dieser positive Stress ist gut für mich.“

 

„With a little help from my friends”

Zumal sie sich, gerade bei ihrem GEW-Engagement, eines ausgeprägten „Hinterlandes” sicher sein kann. „Gemeinsam mit dem Hauptamt haben wir die Mittel und die Wissensbasis, kurzum: die Schlagkraft, wirklich nachhaltige Veränderungen zu erreichen“, blickt sie etwa auf den Streikerfolg im vorjährigen November zurück. „Über Gehaltserhöhungen freuen sich alle. Ich find‘s nur ein bisschen seltsam, dass ich zum Corona-Bonus gefühlt mehr Anfragen von Nichtmitgliedern als von GEW-Mitgliedern erhalte“, lässt Stefanie Köppe durchblicken, dass sie sich noch mehr Mitstreiter wünscht – und auch um diese wirbt. Wenn sie am Ende unseres Gesprächs auf weitere Kernpunkte ihrer Agenda – die Angleichung der Konditionen angestellter und verbeamteter Pädagogen etwa oder eine Personaloffensive namentlich in Sachen Schulsozialarbeit – eingeht, strahlt sie eine unerschütterliche Zuversicht nach dem Motto „Wir bekommen das hin!“ aus, ganz im Geiste des Beatles-Songs:

„We can work it out”