Kita-Aktionstag
Tausende Demonstrierende auf dem Domplatz in Magdeburg
Der Personalschlüssel in Sachsen-Anhalt ist einer der schlechtesten bundesweit. Deshalb hatte die „Kita-Initiative“, ein breites Bündnis bestehend aus Trägern von Kindertageseinrichtungen im gesamten Bundesland, unterstützt von der GEW Sachsen-Anhalt, ver.di, dem Kita-Fachkräfteverband, der LIGA der freien Wohlfahrtspflege sowie der Landeselternvertretung, alle Beschäftigten im Kita- und Hortbereich zur Teilnahme am Kita-Aktionstag am 20. September auf dem Domplatz in Magdeburg aufgerufen. Ziel des Aktionstages war es, auf die zunehmend kritische Situation in den Kitas und Horten in Sachsen-Anhalt aufmerksam zu machen.
Unter dem Motto „Das Personal ist der Schlüssel“ fanden sich tausende Demonstrierende ein, um vor dem Magdeburger Landtag, in dem zeitgleich eine politische Debatte zur Kinderbetreuung stattfand, ihren Unmut kundzutun. Erzieher*innen und Eltern forderten bessere Bedingungen in der Kinderbetreuung und warnten vor Kürzungen des Personals. In Magdeburg blieben ein Drittel aller Bildungseinrichtungen geschlossen. An der Aktion beteiligten sich ebenfalls Kitas und Horte aus Halle, Gardelegen und Quedlinburg. Ausgestattet mit Trillerpfeifen, bunt bemalten Schildern, Luftballons und Bobbycars demonstrierte das pädagogische Personal lautstark für eine bessere Qualität in der frühkindlichen Bildung.
Hintergrund
Die Situation in Sachsen-Anhalts Kitas hat sich weiter zugespitzt. Der schon lange bestehende Fachkräftemangel und die zunehmende Belastung der Beschäftigten haben einen kritischen Punkt längst überschritten. Besonders alarmierend ist, dass viele Träger aufgrund sinkender Kinderzahlen gezwungen sind, Personal abzubauen. Dies führt in der Praxis zu Arbeitszeitkürzungen und damit verbundenen erheblichen Lohnverlusten für die Beschäftigten. In einigen Regionen, in denen die Anmeldungen für Krippenplätze deutlich zurückgegangen sind, wurden sogar Kündigungen ausgesprochen.
„Wir sind heute hier, weil wir mehr Personal brauchen. Wir können in unserer Arbeit zu wenig Fokus auf die Kinder legen. Außerdem kritisieren wir die Ausbildung zum Erzieherberuf. Wir haben viel zu viel Theorie gemacht und hatten nur eine praktische Woche im Ausbildungsjahr.“
– Nancy & Lukas, Kita Texas-Strolche Magdeburg
Ein zentraler Faktor ist der Mindestpersonalschlüssel, den das Kinderförderungsgesetz (KiFöG) in Sachsen-Anhalt festlegt. Während in anderen Bundesländern eine Fachkraft maximal sieben bis neun Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren betreut, sind es hier im Durchschnitt mehr als zehn Kinder. In der Krippenbetreuung liegt der statistische Durchschnitt bei 1:5,6, also nahezu doppelt so hoch wie die empfohlene Relation (die GEW fordert eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 in dieser Altersgruppe). Damit liegen die Betreuungsbedingungen in Sachsen-Anhalt weit entfernt von wissenschaftlich empfohlenen Standards für qualitativ gute Kindertagesbetreuung.
„Ich wollte zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Situation in den Einrichtungen ist unmöglich. Wenn Kolleg*innen krank ausfallen, steht man völlig alleine da. Wir kriegen unsere Arbeit immer irgendwie hin, aber man kann einfach nicht mehr von Qualität sprechen.“
– Andrea, Kinderland Bummi Quedlinburg
Neueste Zahlen zeigen, dass der Krankenstand unter Erzieher*innen in Sachsen-Anhalt mit durchschnittlich 34 Ausfalltagen pro Jahr deutlich über dem anderer Branchen liegt (neun Tage mehr als der Durchschnitt). Auch im Vergleich zu Erzieher*innen in anderen Bundesländern ist dieser Wert höher.
Urlaubszeiten, Krankheitsausfälle und notwendige Vorbereitungszeiten werden im Mindestpersonalschlüssel nicht ausreichend berücksichtigt. Kita-Leitungen werden zudem nicht genügend von der Gruppenarbeit freigestellt, um ihre Leitungsaufgaben zu erfüllen.
„Auch bei uns ist der Krankenstand recht hoch und mit einem Träger, der nur eine Einrichtung hat, besteht natürlich keine Flexibilität beim Personaleinsatz. Wenn jemand ausfällt, müssen die anderen länger bleiben. Das ist bei uns oft der Fall, weil wir immer noch die Fahnen hochhalten und versuchen, für die Eltern die normalen Öffnungszeiten anzubieten. Im schlimmsten Fall hängen wir Schilder an die Tür und bitten die Eltern, ihre Kinder mittags abzuholen. Gerade in den Randzeiten haben wir teilweise nur eine Fachkraft in der Gruppe. Das ist nicht vertretbar.“
– Erzieherin der Evangelischen Kindertagesstätte St. Johannes Merseburg
39114 Magdeburg