Fachkräftemangel
Überalterung ist ein weit verbreitetes Problem
In den Schulen bemerken wir es schon lange: Unsere Lehrerkollegien sind stark überaltert.
Von den rund 14.000 Lehrkräften haben wir nur etwa 800 unter 30 Jahren, im Alter zwischen 55 und 65 Jahren befinden sich aber ca. 6.100. Es ist abzusehen, dass wir in ganz kurzer Zeit durch Altersabgänge noch mehr in Bedrängnis geraten werden, was die Unterrichtsversorgung betrifft, als dies ohnehin schon der Fall ist.
In anderen Branchen sieht es nicht viel besser aus. Laut einer Recherche des MDR sind Handwerksberufe ebenfalls stark von Überalterung und anschließendem Fachkräftemangel betroffen, gefolgt von Tiefbauberufen, der Pflegebranche oder der Lebens- und Genussmittelherstellung. Eigentlich gibt es im Osten kaum Berufe, die davon nicht betroffen sind. Die Älteren unter uns erinnern sich gut, wie die Treuhand hier „gewütet“ hat. Es sind nicht nur unrentable Betriebe geschlossen worden, sondern oft genug Konkurrenten für westliche Unternehmensstandorte ausgeschaltet worden. Die Folgen davon waren Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit für Schulabgänger der fünf neuen Bundesländer in ihrer angestammten Heimat. In Scharen mussten sie nach Westen ziehen. Nur wenige kommen zurück. Ich selber habe meine beiden Söhne und fünf Enkelkinder im Westen. Sie werden dem Arbeitsmarkt im Osten nie wieder zur Verfügung stehen. Vielen Familien geht es ähnlich. Im Bildungswesen war die Geschichte anders verlaufen, aber die Folgen sind gleich.
Alle östlichen Bundesländer hatten nach der Wende „gefühlt zu viel Lehrkräfte“. Durch Pflichtstundenerhöhungen gegenüber dem DDR-Bildungssystem und drastisch sinkenden Geburtenraten wollte kein Bundesland so viele Pädagog*innen in Vollzeit beschäftigen. Überall wurden Vereinbarungen mit den Landesregierungen zu Arbeitsplatzsicherung durch die GEW abgeschlossen. Immer war das mit Einkommensverlust verbunden. Wir erinnern uns noch gut daran, dass die Arbeitszeit und das damit verbundene Einkommen auf dem „Höhepunkt des Lehrkräfteüberhanges“ in Sachsen-Anhalt um 20 Prozent abgesenkt wurde. Die finanziellen Verluste waren schmerzlich. Aber wir konnten so Entlassungen verhindern. Die andere Seite der Medaille ist, dass über ganz viele Jahre so gut wie keine Pädagog*innen eingestellt wurden. Auch die Lehrkräfteausbildung wurde bei uns drastisch zurückgefahren. Diese Einstellungslücke und fehlende Ausbildungskapazitäten haben nun einen noch nie da gewesenen Lehrkräftemangel zur Folge. Und der wird sich aller Voraussicht nach noch weiter verstärken. Eine Entlastung der Situation wurde mit der Einstellung von Seiten- oder Quereinsteigenden gefunden. Die Zahl der Einstellungen in Sachsen-Anhalt ist von 2016 mit 127 auf 1.030 im Jahre 2021 gestiegen; sie dürfte sich in 2022 noch erhöht haben. Insgesamt wurden seit 2016 1.458 Lehrkräfte bei uns in den Schuldienst aufgenommen. Allerdings scheiden nach nur kurzer Dienstzeit viele dieser Lehrkräfte auch wieder aus. Der Anteil lag 2021 bei 43,6 Prozent, die meisten davon an den berufsbildenden Schulen (61,7 %), am wenigsten in den Sekundar- und Förderschulen (ca. 35 %). Damit hat sich die Gesamtbilanz zwischen Neueinstellungen und dem Ausscheiden aus dem Schuldienst zuletzt (2021) erheblich verschlechtert. Die Gründe dafür sind ganz sicher vielschichtig. Nicht jeder, der gerne im Lehrdienst wäre, ist dafür auch geeignet. Sehr oft wird auch die Arbeitsbelastung falsch eingeschätzt. In der Hauptsache ist es aber die mangelnde Unterstützung. Hier tut das Land zu wenig und die Schulen können nicht mehr tun, denn die vorhandenen, voll ausgebildeten Lehrkräfte sind mit ihren Kräften längst am Limit.