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Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers 2023

Verhaltensauffälligkeiten der Schüler*innen und ein Anstieg von Kinderarmut

Disziplinprobleme, fehlende Motivation oder Gewalt – auffälliges Verhalten von Schülerinnen und Schülern wird von den Lehrkräften am häufigsten als aktuell größte Herausforderung genannt. Das zeigt das Deutsche Schulbarometer im Auftrag der Robert Bosch Stiftung. Die repräsentative Befragung von über 1.000 Lehrerinnen und Lehrern allgemeinbildender und berufsbildender Schulen wurde im Juni 2023 von Forsa durchgeführt. Weitere Schwerpunkte in der Befragung sind Fragen zur Teilzeitbeschäftigung, zu Erfahrungen und Einstellungen in Bezug auf Inklusion und zum Stand der Digitalisierung an Schulen. Und immer mehr Kinder und Jugendliche machen sich Sorgen um die finanzielle Situation ihrer Familie.

Verhalten der Schüler*innen

Wurde noch im Vorjahr die Corona-Pandemie als größte Herausforderung genannt, ist es jetzt das Verhalten der Schülerinnen und Schüler. 34 Prozent aller Lehrkräfte meinen, dass dies jetzt die bedeutendste Anforderung ist. Das größte Problem dabei sind Konzentrationsmängel (81 Prozent), gefolgt von Motivationsproblemen (70 Prozent), körperlicher Unruhe (56 Prozent) und Ängsten (31 Prozent). Am unruhigsten werden Grundschulkinder wahrgenommen. Aggressives Verhalten tritt vornehmlich in Haupt-, Real- und Gesamtschulen auf, die Ängste kommen häufig in den Gymnasien vor. Über Schulabsentismus, also Überforderung, berichten vor allem Berufsschulen.

Medienkompetenz und Digitalisierung

79 Prozent der Lehrkräfte glauben, dass die Mehrheit der Schüler*innen nicht in der Lage ist, Informationen aus dem Internet kritisch zu hinterfragen. Das Problem wird immer größer, je größer der Anteil an Eltern ist, die Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen. Die technische Ausstattung mit digitalen Endgeräten und schnellem Internet an den Schulen hat sich in den letzten Jahren verbessert. Trotzdem gibt es noch immer viel zu große Unterschiede zwischen den Schulen. Vor allem Schulen in schwierigen sozialen Wohngebieten schneiden schlecht ab. Die Schulen selbst, die Schüler*innen und auch die Lehrkräfte dort laufen der Entwicklung hinterher.

Inklusion

Wie kommt die Inklusion voran? 77 Prozent der Lehrkräfte an Regelschulen stellen fest, dass es bei ihnen Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gibt, aber nur neun Prozent sind der Meinung, dass ihr Lehramtsstudium sie ausreichend auf inklusiven Unterricht vorbereitet hat. Offenbar haben hier die Universitäten und Hochschulen einen großen Nachholbedarf. Auch nach mehreren Jahren Inklusion schätzen sich 58 Prozent der Lehrkräfte als „wenig erfahren“ oder „gar nicht erfahren“ in Bezug auf inklusiven Unterricht ein. Diese Lehrkräfte sind auch der Meinung, dass leistungsstarke Schüler*innen durch die inklusive Beschulung ausgebremst werden. Diese Befunde zeigen eindeutig, dass Inklusion an unseren Schulen noch große Defizite aufweist.

Teilzeitarbeit

Angesichts des großen Lehrkräftemangels in allen Bundesländern hat das Schulbarometer nach der Teilzeitbeschäftigung gefragt. Teilzeitarbeit ist im Lehrerberuf weit verbreitet. Sogar unter jungen Lehrkräften und auch unter Männern (21 Prozent). Bei Frauen sind es 46 Prozent. Könnte die Teilzeitbeschäftigung reduziert werden, wäre das die „größte Beschäftigungsreserve“. Wann wären Lehrkräfte bereit, ihre Arbeitszeit aus der Teilzeit heraus zu verlängern? Die wichtigste Voraussetzung wäre, wenn die Arbeitszeitmodelle auch die nicht unterrichtsbezogenen Tätigkeiten erfassen würden. Für 73 Prozent der Teilzeitbeschäftigten besteht das größte Hindernis darin, dass alle „sonstigen pädagogischen Tätigkeiten“ bei der Stundenreduzierung überhaupt keine Rolle spielen. Würden die in die Reduzierung bei Teilzeit einbezogen, sind viele dieser Lehrkräfte bereit, mehr zu unterrichten. Damit korrespondiert auch die Forderung, fachfremde Aufgaben zu reduzieren. Es sind inzwischen so viele, dass noch mehr Unterricht für Teilzeitbeschäftigte nicht infrage kommt. Außerdem spielen auch Faktoren außerhalb der Schule eine entscheidende Rolle. Wäre die Betreuung der eigenen Kinder in den Kitas besser, könnten sich 26 Prozent der Teilzeitbeschäftigten mehr Unterricht vorstellen. Dazu kommt auch, dass es mehr Entlastung durch multiprofessionelle Teams in den Schulen geben muss. Lehrkräfte können nicht „Mädchen für alles“ sein. Es braucht mehr Sozialarbeiter*innen, Pädagogische Mitarbeiter*innen, Psycholog*innen und Schulassistent*innen in den Einrichtungen, damit sich die Lehrkräfte wieder ihrer Hauptaufgabe, dem Unterricht, widmen können.

Kinderarmut

Eine deutliche Zunahme verzeichnen die Beobachtungen der Lehrkräfte zur Kinderarmut. Sie äußert sich in unzureichendem Schulmaterial (37 Prozent) oder darin, dass Kinder ohne Frühstück zur Schule kommen (30 Prozent). Die Beteiligung an außerschulischen Aktivitäten wie in Sportvereinen oder Musikschulen ist rückläufig. Am schlimmsten ist die Situation bei Schulen in sozial schwierigen Lagen. Immer mehr Kinder machen sich Sorgen um die finanzielle Lage ihrer Familien. Finden mehrtägige Klassenfahrten statt, nehmen mehr Kinder als vorher nicht mehr teil oder werden von den Eltern krankgemeldet.

Fazit

Alle Befunde des Schulbarometers 2023 sind alarmierend. Bestimmte Tendenzen, wie die Auswirkungen von Kinderarmut, Überlastung von Lehrkräften mit Aufgaben außerhalb des Unterrichts oder das Zurückbleiben von Schulen und Kindern in schlechten sozialen Lagen, verhärten und verstetigen sich. Sie sind deshalb besonders skandalös, da sie einen Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft zum Einsturz bringen können: das Versprechen auf Chancengleichheit. Die meisten Schulen können diese Versprechen nicht mehr einlösen. Die Verantwortlichen in den Kultus- und Bildungsministerien scheinen dem hilflos gegenüber zu stehen. Inzwischen werden auch Stimmen laut, die meinen, es sei gar nicht Hilflosigkeit, sondern so gewollt. Dies wäre dann der Abgesang auf unsere Demokratie von „oben“. Die GEW kann sich damit nicht abfinden. Wir müssen weiter beharrlich den Finger in diese Wunden legen und auf Veränderungen drängen.

Die detaillierten Ergebnisse sind im auf dem Schulportal der Robert-Bosch-Stiftung veröffentlicht.

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Redaktion der Mitgliederzeitung EuW
Leitung: Christiane Rex