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Frühkindliche Bildung und Erziehung

Wann handelt der Staat endlich?

Wir erleben gegenwärtig einen enormen Vertrauensverlust der Politik, weil staatliche Versprechen offensichtlich nicht viel taugen. Beispiele gefällig? Klimageld, Mehrwertsteuer in der Gastronomie, Strompreisbremse. Das sind nur einige aktuellen Dinge. War ja alles nur mündlich! Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?!

Aber manches Versprechen wurde auch schriftlich gegeben. Beispielsweise der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz: Für Kinder ab drei Jahren besteht dieser bereits seit 1996. Seit 2013 haben auch Kinder nach ihrem ersten Geburtstag Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Solche Versprechen haben mit Großzügigkeit, die man nach Belieben auslegen kann, nichts zu tun. Die Ansprüche haben gute Gründe! Zum einen, weil schon die demografische Entwicklung erfordert, dass mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen können – ohne diese Möglichkeit wäre unsere Wirtschaft längst am Ende. Zum anderen aber auch, weil immer mehr junge Frauen ihren Platz nicht vorrangig an „Heim und Herd“ sehen, sondern Arbeit ihrem Leben Sinn gibt und sie arbeiten wollen. Zum dritten gilt es inzwischen als wissenschaftlich erwiesen, dass gute frühkindliche Betreuung in einer Kita die Startchancen für alle Kinder verbessern kann und uns dem Ziel der Chancengleichheit ein gutes Stück näherbringt.

Das neueste „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung allerdings deckt hier gewaltige Defizite auf. Insgesamt fehlen jetzt in Deutschland 430.000 Kita-Plätze, davon allein im Westen 385.900. Im Osten fehlen folglich immerhin auch 44.100 Plätze. Aber das fehlende Platzangebot ist nicht das einzige Defizit. Auch die Qualität der Betreuung stimmt nicht. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass diese vom Betreuungsschlüssel – Fachkräfte vorausgesetzt – direkt abhängt. Wissenschaftlich empfohlen wird für unter dreijährige Kinder eine Betreuungsrelation von 1:3 und für über dreijährige Kinder die Relation 1:7,5. In den alten Bundesländern kommt man diesem Qualitätskriterium noch einigermaßen nahe mit 1:3,4 und 1:7,7, in den neuen Bundesländern ist der Personalschlüssel allerdings nicht kindgerecht. Hier liegen die durchschnittlichen Relationen bei 1:5,4 und 1:10,5.

Sachsen-Anhalt macht da keine Ausnahme. Der Ländermonitor der Bertelsmann Stiftung weist bei uns einen zusätzlichen Bedarf von 4.900 Kita-Plätzen aus. Und auch die Betreuungsschlüssel liegen sehr nahe am Ostdurchschnitt. Rechnet man die Urlaubs- und Krankheitstage mit ein, so sehen die Relationen noch ungünstiger aus. Es liegt auf der Hand, dass es um die Bildungschancen unserer Kleinsten in den Kitas nicht besonders gut bestellt ist.

Die GEW setzt sich seit Jahren für ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz mit einheitlichen Standards sowie für eine umfassende Fachkräfteoffensive ein. Zentrale Merkmale sind dabei eine bessere Fachkraft-Kind-Relation, eine umfassende Leitungszeit, mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung, Anrechte auf Fort- und Weiterbildungen sowie Fachberatungen. Diese sogenannten „Big Five“ sind in einem Kita-Qualitätsgesetz dauerhaft durch den Bund zu finanzieren.

Auch die Bertelsmann Stiftung meint, dass wegen der inzwischen für Eltern, Kinder und Personal untragbar gewordenen Situation kein Weg mehr am Handeln der Politik vorbeigehen kann. Die Situation könnte bis 2030 entscheidend verbessert werden, wenn endlich die notwendigen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen würden. Für Sachsen-Anhalt empfiehlt die Stiftung, trotz sinkender Kinderzahlen keine Stellen abzubauen und darüber hinaus noch zusätzlich 2.700 Fachkräfte zu gewinnen. Außerdem sollten die vorhandenen pädagogischen Fachkräfte von nicht-pädagogischen Aufgaben durch Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte entlastet werden.

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Leitung: Christiane Rex