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Mentoringprogramm für Seiteneinsteigende an Schulen

„Weltenretter“ mit mangelndem Rüstzeug

Das Bildungsministerium hat im Juni 2024 den „erfolgreichen Start“ ihres Mentoringprogramms für Seiteneinsteigende an Schulen verkündet: Für die Initiative „Begleitung der Lehrkräfte im Seiteneinstieg durch Ruheständler“ hätten sich zwischen März und Mai 2024 bereits 13 pensionierte Lehrkräfte und 28 Seiteneinsteigende angemeldet. Neun Mentor*innen unterstützten bereits 14 neue Lehrkräfte, sich im Schulalltag zurechtzufinden. Besonders erfolgreich sei die Begleitung durch pensionierte Lehrkräfte, die an ihrer ehemaligen Schule weiterarbeiten. Angesichts der vorherrschenden Umstände ist diese Erfolgsmeldung ein Hohn:

Jede achte Lehrkraft ist in unserem Schulsystem seiteneinsteigend. Hinter diesen schlichten Zahlen stecken viel Arbeit und Engagement und jede Menge Bereitschaft, über das Normale hinaus tätig zu sein. Das betrifft nicht nur die seiteneinsteigenden Lehrkräfte, sondern auch alle anderen am Prozess beteiligten Personen. Aber diese Erfolgsstory hat auch eine sehr dunkle Seite, über die hier berichtet werden soll.

Nach wie vor schaffen mehr als ein Drittel der eingestellten Lehrkräfte ihren Seiteneinstieg nicht, sie kündigen, werden gekündigt oder ihr befristeter Vertrag wird nicht verlängert. Natürlich gibt es Fälle, in denen nach einer kurzen Probephase schnell feststeht, dieser Mensch ist von seiner Persönlichkeit her als Lehrkraft nicht geeignet. Das ist schmerzhaft und nicht änderbar. Bei vielen Betroffenen aber sieht das Scheitern wie ein geplanter Prozess aus und das ist es häufig auch.

Oft fängt es gleich zu Beginn des Jobs als „Weltenretter“ an: Es gibt keine Mentorin oder keinen Mentor. Im Grundlagenkurs ist eine Woche vorgesehen, in der man seine Schule umfassend erkunden soll, Profil, Pläne, Klassen, Lehrpläne und Lehrbücher, Ausstattung und Unterrichtsmaterialien, an Beratungen und am Unterricht teilnehmen. Diese fällt aus, vielmehr muss eine hohe oder die volle Stundenzahl unterrichtet werden. Auch das Hospitieren wird auf eine Minimalzahl heruntergeschraubt. Im weiteren Verlauf entsteht der Eindruck, dass die seiteneinsteigende Lehrkraft Fächer und Klassen unterrichten darf, die die anderen Lehrkräfte nicht wollen. Die Schulleitung oder andere Lehrkräfte hospitieren entweder überhaupt nicht oder sie hospitieren, es gibt aber kein Feedback. Für Fort- und Weiterbildungen gibt es weder Unterstützung noch Freistellungen. Die Hinweise der Handreichung für den Seiteneinstieg sind unbekannt oder werden nicht umgesetzt. Einzelfälle? Nein, leider nicht, sondern dies betrifft einen großen Anteil am Drittel der scheiternden seiteneinsteigenden Kolleg*innen. 

Mein Fazit: Allen müssen die besten Chancen eingeräumt werden, im ersten Jahr der Bewährung eine gute Lehrkraft werden zu können. Hierzu gehören Schulen, die mit den bestmöglichen Bedingungen vor Ort ihren Beitrag leisten, aber auch das Landesschulamt, das die beschriebenen Umstände nicht weiter dulden darf und den Schulen, die hier Probleme haben, entsprechende Hilfen anbieten muss. Die vielen Schulen, an denen der Einstieg gut funktioniert, zeigen nicht nur, dass es funktionieren kann, sondern wie die Normalität aussehen muss. Es darf keine Briefe mehr geben, in denen man lesen muss: „Ich habe acht Monate ohne Mentor*in gearbeitet, es wurde hin und wieder hospitiert, aber es gab kein Feedback, bei einigen Sachen musste ich mir von den Schüler*innen helfen lassen, weil mir das niemand erklärt hat und nun erfahre ich, dass mein Vertrag nicht entfristet werden soll, weil ich keine erfolgreiche Lehrerpersönlichkeit bin.“

Kontakt
Torsten Richter
Stellv. Vorsitzender des Lehrerbezirkspersonalrates Halle
Telefon:  0345 51 42 031