Offener Brief des Verbands der Sonderpädagogik an Bildungsministerin
Wichtige Professur für Lehramtsausbildung erhalten
Anlässlich der geplanten Hochschulkürzungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat der Verband der Sonderpädagogik an die Bildungsministerin Eva Feußner einen offenen Brief verfasst.
Am 15. März hat sich der Verband Sonderpädagogik e. V. an Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner in einem offenen Brief gewandt. Gegenstand darin ist die Professur „Pädagogik bei Beeinträchtigung des schulischen Lernens” an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ziel ist, die Streichung dieser Professur zu verhindern. Die GEW Sachsen-Anhalt veröffentlicht diesen Brief, dessen Inhalt von der GEW Sachsen-Anhalt unterstützt wird.
Wortlaut des Offenen Briefes
Professur „Pädagogik bei Beeinträchtigung des schulischen Lernens“ an der Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergSehr geehrte Frau Ministerin Feußner,
der Landesverband Sachsen-Anhalt des Verbands Sonderpädagogik (vds) e.V. wendet sich mit Unterstützung des bundesweiten Verbands Sonderpädagogik e.V. und der Bundesreferate Aus-, Fort- und Weiterbildung und Lernen mit diesem offenen Brief an Sie, um die angestrebte Einsparung der Professur “Pädagogik bei Beeinträchtigung des schulischen Lernens” an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu verhindern.
Das Land hat sich gesetzlich verpflichtet, qualitativ hochwertige Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung sowohl an Förderschulen als auch im Gemeinsamen Unterricht vorzuhalten. Der größte Anteil betrifft Schülerinnen und Schüler mit einem Unterstützungsbedarf im sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen. Um die Qualität dieser Bildungsangebote sicherzustellen, braucht es zwingend sonderpädagogische Professionalität. Das wiederum erfordert entsprechende universitäre Studienangebote im Land!
Die geplante Streichung steht in Zeiten des eklatanten Lehrkräftemangels im Widerspruch zu den bildungspolitischen Vorgaben der Landesregierung und zur staatlichen Verpflichtung der Daseinsvorsorge im Bereich Bildung. Auf der Grundlage des Berichts der Expertenkommission zum Lehrkräftebedarf und der Zielvereinbarung zur Sicherung der Lehrkräfteausbildung muss die Ausbildung in allen sonderpädagogischen Fachrichtungen gesichert werden.
Stellungnahmen des Landesverbandes dazu liegen den Ministerien und der Universität schriftlich vor (Positionierung im Rahmen der Schulfriedensgespräche 2020 bis 2021, Gespräche und Telefonate im Bildungsministerium und mit bildungspolitischen Sprechern, Briefe an die MLU am 2.7.2021 und an das Wissenschaftsministerium am 3.2.2022). Bereits am 20. November 2019 wurde auf einer Podiumsdiskussion, zu der der Landesverband u.a. die zuständigen Minister und den Rektor der MLU eingeladen hatte, auf den Dozentinnen- und Dozentenmangel in der Lehrkräfteausbildung für das Lehramt an Förderschulen hingewiesen.
Die Forderung nach einem gleichmäßigen Aufwuchs in allen Fachrichtungen wurde von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bislang noch nicht umgesetzt. Es liefe allen bildungspolitischen Vorgaben zuwider, wenn Professuren im Bereich einer dringend benötigten sonderpädagogischen Fachrichtung zukünftig nicht mehr ausgeschrieben werden.
In Sachsen-Anhalt ist erst kürzlich die Anzahl der Studienplätze sonderpädagogischer Fachrichtungen leicht erhöht worden. Dieser erfreuliche Ansatz wird durch eine mögliche Streichung von Professuren der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg in Frage gestellt, die Fortsetzung von laufenden Ausbildungen gefährdet. Dadurch sind weder die Absicherung der innovativen sonderpädagogischen Ausbildungselemente im Rahmen des Grundschullehramts noch die Weiterentwicklung im Bereich Pädagogik bei Autismus gewährleistet.
Wir betonen, dass jede Professur für eine sonderpädagogische Fachrichtung eine eigene sehr spezifische Professionalität aufweist, die nicht durch Zusammenlegung von Studiengängen aufgefangen werden kann. Eine cross-kategoriale Ausbildung gewährleistet nicht die notwendige Qualifikation in den einzelnen sonderpädagogischen Fachrichtungen!
Die Mindestausstattung mit Professuren im Institut für Rehabilitationswissenschaften ist aus unserer Sicht bereits unterschritten, weil es keine spezifischen Professuren für die sonderpädagogischen Schwerpunkte Körperliche und motorische Entwicklung, Hören sowie Sehen gibt, und letztgenannte Fachrichtungen in Sachsen-Anhalt nicht ausgebildet werden.
Wir fordern Sie auf, sich für den Erhalt aller sonderpädagogischen Professuren, insbesondere aber der aktuell in Frage gestellten Professur “Pädagogik bei Beeinträchtigungen des schulischen Lernens” einzusetzen und dies nachhaltig bei der Universitätsleitung einzufordern. Nur sonderpädagogische Professionalität der Lehrkräfte kann qualitativ hochwertige Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler mit speziellem Förderbedarf gewährleisten. Wir tragen diese Forderungen an Sie heran, weil wir uns als Verband Sonderpädagogik auf der Grundlage unserer Satzung verpflichtet fühlen, für die Belange der Schülerinnen und Schüler einzutreten, die einen besonderen Bedarf an Unterstützung haben. Wir dürfen in diesem Zusammenhang auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen verweisen, die geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Unterstützung des betroffenen Personenkreises braucht Professionalität - diese ist nur durch entsprechende Studienangebote gewährleistet.
Der vds Sachsen-Anhalt steht Ihnen selbstverständlich für einen kritisch-konstruktiven Dialog und für einen fachlichen Diskurs mit unserer Expertise zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Bianca Borlich, Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt e. V. &
Dr. Angela Ehlers, Bundesvorsitzende Verband Sonderpädagogik