Kommentar
Wie stark müssen wir als Gewerkschaft sein?
Es ist immer das gleiche Spiel: Die Forderungen und Verhandlungspositionen der Gewerkschaften und Personalräte werden von der Arbeitgeberseite zwar nicht in Abrede gestellt, aber oft mit Verweis auf die finanzielle Haushaltslage abgeschmettert.
Die Argumente des Landes oder der Tarifgemeinschaft der Länder sind immer wieder die gleichen: „Unsere Kassen sind leer.“ An den Verhandlungstischen bringt man uns Gewerkschafter*innen oft ein müdes Lächeln entgegen – und dann kommt nichts mehr. Nun ist mir durchaus bewusst, dass die rechtliche Lage manchmal so ist, dass die Arbeitgeber oder Dienstherren tatsächlich nicht verpflichtet sind, schlechte Arbeitsbedingungen zu verbessern oder ihre Angestellten angemessener zu vergüten. An einigen Stellen steht ein „kann“ im Tarifvertrag, wie zum Beispiel bei der Anerkennung förderlicher Zeiten für die Stufenlaufzeit der Beschäftigten. Oder man verweist auf beamtenrechtliche Regelungen oder macht von der Möglichkeit Gebrauch, einfach eine Verordnung zu erlassen – wie es jüngst in Sachsen-Anhalt bei der Vorgriffstunde geschehen ist.
Ein weiteres Beispiel für solche Ausweichargumente sind die Anstellungsbedingungen der studentischen Mitarbeiter*innen. So werden diese nirgendwo in den Tarifverträgen der Länder erwähnt, für sie greifen weder Arbeitszeit- noch Urlaubsregelungen und schon gar keine Mindestvertragslaufzeiten. „Das ist ja schließlich schon immer so gewesen“, lautet hier beständig das Argument der Gegenseite.
Vor diesem Hintergrund ist durchaus die Frage legitim, ob die Gewerkschaften stark genug sind, bessere Regelungen beziehungsweise Bedingungen durchzusetzen. Zugegeben, die Tarifforderung für die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes der Länder erscheint nicht besonders hoch angesichts der Kostensteigerungen. Es ist die gleiche Forderung, die wir im Frühjahr für Bund und Kommunen erhoben haben, bei der wir nach einem entschiedenen Arbeitskampf und einer Schlichtung aber ein gutes Ergebnis erzielen konnten. Wir sind also in der Lage, erfolgreich zu kämpfen!
Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften mehr miteinander reden würden, könnte es jedoch auch anders gehen – ohne langen Kampf. Warum schenkt man uns kein Gehör? Die Argumente der Personalräte und Gewerkschaften sind ernst gemeint und sie sind durchdacht. Wir vertreten die Beschäftigten und hören ihnen zu. Wir sind bereit, Sozialpartnerschaft zu leben. Wir haben schon einmal bewiesen, dass so etwas funktioniert, als wir zu viel Personal hatten. Warum soll das nicht auch jetzt gehen, wenn zu wenig Personal da ist? Unser Ziel als Gewerkschaft sind bessere Arbeitsbedingungen für alle, damit unsere Fachkräfte im Land bleiben. Darüber wollen wir verhandeln, das wollen wir uns nicht verordnen lassen wie die Vorgriffstunde! Aus Sicht der GEW ist unsere Landesregierung jedoch nicht zu solchen Verhandlungen und somit zu einem fairen Interessenausgleich wie zum Beispiel in Brandenburg oder Thüringen bereit. Doch bei all dem, was derzeit an Personalkosten nicht ausgegeben werden kann, weil der Personalmangel so groß ist, dürfte das Geld für bessere Arbeitsbedingungen eigentlich gar kein Problem sein beziehungsweise kein belastbares Argument darstellen.
Und wenn es die Verhandlungspartner nicht einsehen, müssen wir eben anderweitig kämpfen, um zu zeigen, dass wir es ernst meinen und uns durchsetzen wollen. Die GEW hat veranlasst, dass das Streikrecht für die Beamt*innen derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt wird. Zudem werden wir hierzulande bei unserer Klage gegen die Vorgriffstunde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen. Das heißt, wir können uns wehren und wir tun dies auch. Der eine oder andere wünscht sich vielleicht gerne schwächere Gewerkschaften – aber nicht mit uns!
39114 Magdeburg