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Kommentar

Wir brauchen keine „Restschulen“ im Land

Die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt Eva Gerth plädiert für eine Aufwertung der Sekundar- und Gemeinschaftsschulen im Land.

Wohl aufgeschreckt durch Veröffentlichungen zu Abitur-Abbrecher*innen in der Mitteldeutschen Zeitung verspricht Bildungsministerin Feußner jetzt eine Abi-Debatte. Konkret geht es darum, ob weiterhin der Elternwille beim Wunsch für die weiterführende Schulen akzeptiert wird oder ob man einen Notendurchschnitt voraussetzt. Als weitere Variante wird die Verschärfung der Versetzungsverordnung diskutiert. Die Diskussion mündet häufig in der Feststellung, dass wir in Sachsen-Anhalt sowieso zu viele Abiturient*innen hätten.

Glaubt man denn ernsthaft, für jedes Kind bereits in der 4. Klasse feststellen zu können, ob es bis zum Abi durchhält? Der Druck auf Grundschullehrkräfte, die Kinder schon so früh nach künftigen Bildungschancen zu sortieren, wäre ungeheuer. Nicht umsonst sind die Gesamt- und Gemeinschaftsschulen, die diese Entscheidung erst später fällen, hier im Land überlaufen. Zudem hat es eine Zuweisung nach den Noten zu den weiterführenden Schulen in Sachsen-Anhalt in früheren Jahren schon gegeben und die Übergangsquoten ans Gymnasium waren damals nicht geringer. 

Das Gymnasium ist die attraktivste Schulform und die mit der besten Unterrichtsversorgung und Ausstattung und mit den wenigsten Seiteneinsteigenden als Lehrkräfte. Das wissen Eltern auch. Sie wünschen sich solche Bedingungen in der Schule. Man hat die Garantie, dass das Kind die notwendigen Unterrichtsstunden absolviert. Das Gymnasium hat aber auch die Möglichkeit, Kinder, deren Leistung nicht so passt, an die Sekundarschulen zu schicken. 30 Prozent aller Schüler*innen verlassen zwischen den Klassenstufen 6 und 12 das Gymnasium, die meisten nach Klasse 9. Es wird als Misserfolg empfunden. Trotzdem nehmen Eltern und Kinder dieses erste „Scheitern“ in Kauf, weil die Alternativen nicht annähernd die Bildungschancen bieten, die das Gymnasium verspricht.

Der Anteil der Schüler*innen in Sachsen-Anhalt, die das Abitur oder eine andere Hochschulzugangsberechtigung haben, liegt übrigens im bundesweiten Vergleich ganz hinten. Warum denkt das Land nicht endlich darüber nach, die Sekundar- und Gemeinschaftsschulen aufzuwerten? Diese Schulformen sind zurzeit in den Schlagzeilen, weil sie inzwischen unter 90 Prozent Unterrichtsversorgung haben, weil die Stundentafel eingeschränkt und die Unterrichtsstunden auf 40 Minuten gekürzt werden. Lehrkräfte und pädagogisches Personal versuchen, die Situation mit großem Engagement auszugleichen. Dort gehören jetzt sehr schnell deutlich mehr Ressourcen hin, mehr Lehrkräfte, mehr pädagogisches Personal, Förderlehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen sowie eine super Ausstattung. Bisher haben Sekundarschulen leider den Ruf, Restschulen zu sein. Wer will schon an eine Schulform, die ungefähr jede/n elfte/n Schüler*in ohne Abschluss entlässt? Dagegen muss endlich wirksam etwas getan werden, was aber nicht ohne zusätzliches Geld gehen wird. Mehr Bildung und Chancengleichheit für alle Kinder sollten uns das wert sein!

Kontakt
Eva Gerth
Landesvorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt
Adresse Markgrafenstraße 6
39114 Magdeburg
Telefon:  0391 735 54 30