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Gewerkschaftstag in Leipzig

Wir werden gehört

Die Vorsitzende Eva Gerth berichtet vom außerordentlichen Gewerkschaftstag in Leipzig

Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissen
Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW, Foto: GEW)

Eigentlich war der Gewerkschaftstag schon 2021 zu Ende. Maike Finnern und ihre Mitstreiter*innen wurden gewählt, einige Anträge diskutiert, die ehemaligen Vorstandsmitglieder verabschiedet. Leider fand das alles unter Corona-Bedingungen statt, also weitestgehend online. Es war arbeitsintensiv, aber nicht geeignet, Anträge mit Leidenschaft zu diskutieren. Und natürlich lassen sich auch hinter den Kacheln einer Videokonferenz Kompromisse finden, jedoch – und da waren sich alle einig – besser geht dies Auge in Auge. Insofern war es schnell Konsens, einen außerordentlichen Gewerkschaftstag anzuschließen, ein Jahr später konnten wir uns vom 21. bis 24. Juni 2022 endlich wieder in Präsenz in Leipzig treffen. Die Bilder zeigen, dass das wirklich eine gute Idee war.

423 Delegierte haben an vier Tagen die Leitlinien für die GEW-Politik der nächsten Jahre diskutiert. Die Themen waren vielfältig. Der Personalmangel in allen Bildungsbereichen spielte eine große Rolle, auch öffentlichkeitswirksam, da gleichzeitig die Kultusministerkonferenz in Berlin den nationalen Bildungsbericht 2022 vorgestellt hat (→ Seiten 8/9). Maike Finnern hat diesen als eine geschönte Bestandsaufnahme des Bildungswesens bezeichnet und mit Zahlen argumentiert: „Es droht ein Personalkollaps. In den kommenden fünf bis sechs Jahren fehlen 200.000 Beschäftigte in der frühkindlichen Bildung und 250.000 in den Schulen.“ Die Gespräche mit den anderen Delegierten machten deutlich, dass wir hier alle im gleichen Boot sitzen, jede und jeder hatte hier sofort Beispiele zur Hand.

Beschlossen wurde auch eine noch intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeitszeit. Es geht um den Schutz vor Überlastung, was nur mit einer Reduzierung der Arbeitszeit möglich ist. Hier wird die GEW ihr tarifliches und politisches Gewicht in die Waagschale werfen und für das Recht auf Teilzeit, für weniger Pflichtstunden für Lehrkräfte, für eine Arbeitszeiterfassung mit Rücksicht auf die Besonderheiten der pädagogischen Berufe und vor allem auch für die Anerkennung der Care-Arbeit kämpfen. Klimaschutz war ein Thema, die Förderung nach der Erhöhung des BAföG-Höchstsatzes mindestens in Höhe des steuerlichen Existenzminimums von 1.200 Euro.

Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass für Beamt*innen künftig die gesetzliche Krankenversicherung offensteht und die Beihilfe auch dort gelten soll, und dafür, dass es neben der klassischen Lehramtsausbildung auch weitere schnelle Wege gibt, einen Abschluss als Lehrkraft zu erhalten, z. B. für Meister oder Bachelor. Bekräftigt wurde die unbedingte Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und mit denen, die von dort und aus allen anderen Ländern zu uns gekommen sind. Gleichzeitig haben wir uns gegen eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr ausgesprochen. 100 Milliarden Euro brauchen wir dringend für die Bildung. Die beschlossenen Anträge sind unter www.gew.de/gewtag22/das-ist-der-gewerkschaftstag zu finden.

Besonders spannend war das Rahmenprogramm. Dr. Michael Goll und Prof. Detlev Brunner von der Universität Leipzig forschen derzeit darüber, wie sich die GEW durch das Hinzukommen der östlichen Landesverbände verändert hat. Zwei Punkte waren entscheidend: Dadurch, dass es hierzulande nach der Wende oft um die Existenz ging und wenige verbeamtet waren, hat unsere GEW schnell Kampfformen bis hin zum Streik gefunden. Wir sind auch wesentlich daran beteiligt, dass wir jetzt eine Bildungsgewerkschaft mit Mitgliedern aus allen Bereichen der Bildung sind. Dr. Goll wird auf unserer Landesdelegiertenkonferenz im November Auszüge seiner Studie vorstellen – ein spannendes Stück Geschichte!

Gewerkschaftstage sind aber auch zum Feiern da. Die GEW Sachsen hat uns einen stimmungsvollen Abend bereitet: In der Moritzbastei, im Herzen von Leipzig, haben wir bei bestem Wetter viele gute Gespräche geführt. Es war schön, dass wir uns alle wiedergesehen haben, in Präsenz, zum Anfassen und Umarmen – frisch getestet jeden Tag. Wie sagte Thomas Lippmann, der als Zeitzeuge zum Podiumsgespräch im Rahmen der Studie von Dr. Goll geladen war: „Es ist wie nach Hause kommen.“

Das gilt hoffentlich auch für die, die zum ersten Mal dabei waren, und für unsere Kolleg*innen und Kollegen aus der Jungen GEW und für die Studierenden. Gewerkschaftsarbeit in der GEW ist anstrengend, weil sie oft ehrenamtlich ist und einen langen Atem braucht. Bei der GEW findet man aber immer Unterstützung und eine wichtige politische Stimme für die Beschäftigten in der Bildung. Das ist ein guter Grund, sich zu engagieren, auch das ist in Leipzig deutlich geworden.

Danke an die Delegierten der GEW Sachsen-Anhalt. Wir sind im Vergleich zu den Landesverbänden Baden-Württemberg oder Hessen zwar wenige, aber wir werden gehört.

Kontakt
Eva Gerth
Landesvorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt
Adresse Markgrafenstraße 6
39114 Magdeburg
Telefon:  0391 735 54 30