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GEW-Aktionskonferenz zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Wird im Frühling umgesetzt, was man im Winter versprach?

Steffi Kaltenborn berichtet über die Aktionskonferenz „Her mit den Dauerstellen!“ am 15. März in Berlin.

Andreas Keller bei seiner Rede | Foto: Dirk Lässig

„Im Winter…“, so begann der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Dr. Andreas Keller, seine Einführung zur Aktionskonferenz „Her mit den Dauerstellen!“ am 15. März in Berlin. Für „den Winter“ hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Gesetzentwurf angekündigt, der das seit 2007 geltende und knapp zehn Jahre später geänderte Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformieren soll. Dass Reformbedarf besteht, hatten drei Evaluationsberichte eindrücklich bewiesen. Auch die Parteien der „Ampel-Koalition“ bekannten sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu.

Entsprechend gespannt wurde die Veranstaltung erwartet, zu der sowohl der Staatssekretär im zuständigen Ministerium als auch Abgeordnete des Bundestages eingeladen waren. Dr. Andreas Keller dämpfte jedoch schnell allzu hohe Erwartungen und verwies darauf, dass es besser sei, sich für eine echte Reform Zeit zu lassen, als ein „Reförmchen“ oder gar eine „Verschlimmbesserung“ vorzulegen. An dieser Stelle hätte die GEW aber nichts dagegen, wenn – bei aller berechtigten Ablehnung von Plagiaten – Teile des eigenen Gesetzentwurfs vom Herbst 2022 in den der Bundesregierung hineinkopiert würden. An die Kernforderungen der GEW sei auch an dieser Stelle noch einmal erinnert:

  • Engführung des Qualifizierungsbegriffs auf die Promotion,
  • Verankerung von Mindestvertragslaufzeiten für die Promotion,
  • Regelung des Stellenumfangs, so dass eine Qualifizierung in der Arbeitszeit tatsächlich möglich ist,
  • Dauerperspektiven nach der Promotion,
  • verbindliche Verlängerungen zum Nachteilsausgleich,
  • Mindestvertragslaufzeiten auch für studentische Beschäftigte und
  • Aufhebung der Tarifsperre.

In seinem kurzen Statement wurde der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Dr. Jens Brandenburg, den zuvor von Dr. Andreas Keller und dem Moderator der Veranstaltung, Dr. Jan-Martin Wiarda, geäußerten Erwartungen gerecht und sagte … – eigentlich nichts!

Mit Verweis auf die Schweigepflicht während laufender Diskussionen innerhalb der „Ampelkoalition“, die von Gesprächen mit unterschiedlichen Interessensgruppen begleitet werden, kündigte er aber zumindest an, dass es bis zur Vorlage konkreter Eckpunkte eher Tage als Monate dauern würde. So konnten sich in der anschließenden Diskussion auch die Autor*innen der drei Evaluationsberichte, Jun.-Prof. Dr. Freya Gassmann für die GEW-Projektgruppe „Wege zum Traumjob Wissenschaft“, Dr. Georg Jongmanns für die vom Bundesministerium beauftragte Studie und Prof. Dr. Tilman Reitz für das „Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft“, eher auf Vermutungen denn auf konkrete Aussagen stützen. Dennoch nutzten sie die Gelegenheit, die aus ihrer Sicht dringendsten Veränderung nochmals hervorzuheben und in Detailfragen auch unterschiedliche Positionen zu diskutieren.

Am Nachmittag stand eine Gesprächsrunde mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages Dr. Carolin Wagner (SPD), Lars Rohwer (CDU/CSU), Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Prof. Dr. Stephan Seiter (FDP) und Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) im Mittelpunkt. Eingangs wiederholten die Vertreter*innen der „Ampel-Parteien“, dass es nicht auf Schnelligkeit, sondern auf Qualität und Zuhören ankäme, während Dr. Petra Sitte ihr Unverständnis darüber äußerte, hätten doch die Ergebnisse der Evaluation bestätigt, was wir seit Jahren wissen und die drei Parteien bereits im Wahlkampf betont, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung ganz vorn in ihrer Agenda stünden. Trotz mehrfacher Verweise auf das „Schweigegelübde“ gelang es Dr. Jan-Martin Wiarda, den Abgeordneten zumindest einige Hinweise zu entlocken:

  • Eine Mindestvertragslaufzeit für die Promotion wird es wohl geben, wenngleich die Angaben (zum Teil unter Verweis auf Positionspapiere der Parteien, weniger auf die laufenden Gespräche) zwischen „drei Jahre“, „vier Jahre“ und „nicht zu lange“ differierten.
  • Eine Engführung des Qualifizierungsbegriffs scheinen die drei beteiligten Parteien ebenso wie die Frage der Aufhebung der Tarifsperre noch recht unterschiedlich zu bewerten.
  • Großen Diskussionsbedarf gibt es offenbar in der Frage, was nach der Promotion geschehen soll. Sicher scheint eine Änderung der aktuellen Regelung zu sein, die eine nochmalige sechsjährige Befristungsmöglichkeit vorsieht. Die Frage, was nach dieser Gnadenfrist geschieht, hat bislang viele Promovenden ratlos zurückgelassen. Die Hochschulrektorenkonferenz hatte hier eine Reduzierung auf vier Jahre vorgeschlagen, was die GEW wegen des damit verbundenen noch höheren Drucks auf die Betroffenen ohne verlässliche Perspektive grundsätzlich ablehnt. Die Positionen der fünf Abgeordneten bewegten sich in diesem Spannungsfeld. Möglicherweise wird über eine sehr kurze Orientierungsphase nach der Promotion mit anschließendem Tenure Track nachgedacht. Alle Beteiligten – auch im Publikum – waren sich dabei einig, dass es für diesen Weg neuer Stellenstrukturen bedarf, die nicht über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, sondern nur über Landesgesetze und vor Ort in den Hochschulen entwickelt werden müssen. Die Gefahr, dass sich wenig ändert, aber große Teile der Betroffenen – und wir sprechen hier von hochqualifizierten Beschäftigten – zwei Jahre früher als bisher „auf der Straße stehen“ oder sich weiter von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln, steht dabei nach wie vor im Raum.
  • Hinsichtlich eines verbindlichen Nachteilsausgleichs für alle, einschließlich der über Drittmittel Beschäftigten, aber auch der Fragen von Mindestvertragslaufzeiten und Höchstbefristungsdauer für studentische Beschäftigte blieben die Antworten vage: „Wir sprechen darüber.“ „Es wird Veränderungen geben.“ „Es kommt auf den Wortlaut an.“ …

Was bleibt von dieser Veranstaltung? Mit Sicherheit irgendwo ein mulmiges Gefühl, dass sich an den prekären Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft nicht viel ändern wird. Damit würde die in den Evaluationsberichten nachgewiesene Chancenungleichheit zementiert, bei der nicht immer die Besten „ganz oben“ ankommen, sondern viele, die sich den „Traumjob Wissenschaft“ zum Beispiel aus finanziellen und familiären Gründen nicht leisten können oder einfach nicht risikofreudig sind, auf der Strecke bleiben. Dennoch mochte Dr. Andreas Keller die Hoffnung nicht aufgeben: „Ostern ist der Winter vorbei und hoffentlich bekommen wir dann ein schönes Ei namens Wissenschaftszeitvertragsgesetz ins Nest gelegt.“

Im Frühling wird wohl ein Eckpunktepapier vorliegen, dem ein Regierungsentwurf und eine hoffentlich ergiebige parlamentarische Debatte folgen werden. In dieser Phase sind noch einmal alle Beschäftigten gefordert, ihre Interessen lautstark zu artikulieren. Dem Aufruf des stellvertretenden Vorsitzenden der GEW kam Dr. Carolin Wagner jedoch zuvor: „Werdet Mitglied in einer Gewerkschaft und organisiert Euch!“ Dr. Andreas Keller griff diese Worte auf und ergänzte sie. Noch wissen wir nicht, ob der GEW ein heißer Frühling oder eher ein heißer Herbst bevorsteht.

Dann muss die GEW aktionsfähig sein – und zwar nicht nur bei Twitter, sondern auch auf der Straße! „Her mit den Dauerstellen!“
 

Nachtrag

Am 17. März legte das Bundesministerium für Bildung und Forschung das mit Spannung erwartete Eckpunktepapier vor. Es folgten Proteste (insbesondere in den sozialen Medien), Streikaufrufe und ein Offener Brief, den über das Wochenende unter dem Hashtag #ProfsfürHanna mehr als 400 Professor*innen unterschrieben haben. Nur 51 Stunden nach ihrem Erscheinen zog das Ministerium die Eckpunkte zurück und kündigte Gesprächsbereitschaft an. Für den 29. März hat die GEW bereits eine Online-Veranstaltung zum Thema angekündigt.

Kontakt
Steffi Kaltenborn
Vorstandsmitglied für Hochschule, Forschung & Lehrer*innenbildung