Postkartenaktion des Bildungsministeriums zur Lehrkräftegewinnung
„... wurde noch nie so bloßgestellt und gedemütigt“
Ende vergangenen Jahres erreichte die Redaktion der EuW der folgende Text, mit dem eine Lehrerin auf einen Artikel in der Volksstimme zur Postkartenaktion des Bildungsministeriums reagierte. Sie zeigte sich entsetzt über diese jüngste Maßnahme zur Lehrkräftegewinnung, die das Ministerium letztes Jahr im Rahmen der „Weltenretter“ Kampagne startete.
„Ich bin seit fast 40 Jahren als Lehrerin und seit 2017 als stellvertretende Schulleiterin in Sachsen-Anhalt tätig und habe schon viele Höhen und Tiefen erlebt. So bloßgestellt und gedemütigt, wie am letzten Freitag habe ich mich allerdings noch nie gefühlt. In unserer Tageszeitung, der Volksstimme, las ich am 14.12.2023 einen Beitrag zu einer Bewerbungsoffensive des Kultusministeriums. Auch wenn es sich bei diesem Artikel um einen satirischen Text handelte, war ich völlig geschockt, vor allem über das beigefügte Foto. Es soll noch weitere Postkarten geben, die ich noch nicht gesehen habe. Ich glaube, nach dieser will ich das auch nicht mehr.
Für mich stellen sich viele Fragen: Wer kommt auf die Idee, mit solchen Postkarten Lehrer werben zu können? Wen will man damit ansprechen? Haben diejenigen, die diese Aktion gestartet, befürwortet und finanziert haben, jemals vor einer Klasse gestanden und unterrichtet? Haben sie mit wenig einsichtigen Eltern über schwindende Leistungen oder Verhaltensauffälligkeiten der Kinder gesprochen? Warum werden für diese Art von Personalgewinnung Gelder freigegeben? Welche Kontrollen finden im Kultusministerium statt, um diese zu verhindern? Was müssen wir Lehrer uns noch alles gefallen lassen?
Ich fühle mich in der Würdigung meiner beruflichen Laufbahn beschmutzt, beleidigt und maßlos verletzt. Es scheint nicht zu reichen, dass wir ständig mit immer neuen bürokratischen Aufgaben, der nach wie vor bestehenden mangelnden Unterrichtsversorgung, zunehmend undisziplinierten und unwilligen Schülerinnen und Schülern und häufig sehr uneinsichtigen Eltern zu tun haben. Jetzt wird unser Ansehen auch noch in aller Öffentlichkeit demontiert. Es wird immer wieder betont, der Arbeitgeber habe eine große Verantwortung für die Gesundheit seiner Mitarbeiter. Davon kann ich schon seit längerer Zeit und besonders seit heute noch weniger etwas merken. Durch diese Aktion werden noch mehr ältere Kollegen ihr Arbeitsverhältnis lösen, sobald es möglich ist, was den Mangel an gut ausgebildeten Lehrern nicht kleiner werden lassen wird.
Wie soll ich mich Eltern gegenüber in Zukunft zum Beispiel bei einem ernsthaften Gespräch über Probleme derer Kinder verhalten, wenn mir plötzlich, vielleicht verbunden mit einem Kommentar oder einem bestimmten Lächeln diese Karte vorgehalten wird? Ich erwarte, dass diese Form der Nachwuchsgewinnung von Lehrkräften abgebrochen wird und es nicht zur Verteilung der Postkarten, wo auch immer, kommt. Denn ich habe zum jetzigen Zeitpunkt jegliches Vertrauen in die Bereitschaft des Kultusministeriums, uns Lehrerinnen und Lehrern den Rücken zu stärken und uns zu unterstützen, verloren. Sie können davon ausgehen, dass ich mit dieser Ansicht nicht alleine stehe, in unserem Lehrerzimmer brannte am Tag nach dem Artikel, wie man so schön sagt, die Luft.“
Eure Meinungen
Wie seht ihr die im Februar 2019 gestartete „Weltenretter“-Kampagne des Bildungsministeriums? Sind die oben angesprochenen Postkarten wirklich so ein Aufreger? Die Redaktion der EuW ist gespannt auf eure Ansichten, die ihr gern per E-Mail an uns senden könnt. Die E-Mailadresse findet ihr unter dem Artikel.