Zum Inhalt springen

Fokussierte Schullaufbahnempfehlung

Politischer „Kuhhandel“, bei dem es nur Verlierer gibt

Als eine rein politische Entscheidung, die alle pädagogischen Erkenntnisse über die Entwicklung von Kindern außen vor lässt, bezeichnet die GEW die geplanten Änderungen in Bezug auf die sogenannte fokussierten Schullaufbahnempfehlung an den Grundschulen.
Das immer frühere Sortieren der Schülerinnen und Schüler für weiterführende Schulen ist aus Sicht der GEW ein völlig falsches Zeichen und international gesehen eine echte Besonderheit.

Die Schüler*innen sollen jetzt bereits in Klasse 3 den weiterführenden Schulformen zugeordnet und damit stigmatisiert werden. Denn nicht anders empfinden Kinder diese frühe Einteilung in „Gut“ und „Schlecht“.
Die Kinder liegen in ihrer Entwicklung zum Zeitpunkt der Einschulung rund eineinhalb Jahre auseinander und sollen jetzt offensichtlich in knapp drei Jahren so fit gemacht werden, dass Lehrkräfte eindeutig über die weitere Schullaufbahn urteilen können. Die neue Regelung trifft auf ein Schulsystem, in dem Unterrichtsausfall an der Tagesordnung ist, Klassen aufgeteilt oder zusammengelegt werden, Förderschullehrkräfte abgezogen wurden und multiprofessionelle Teams in vielen Fällen nur auf dem Papier existieren.

Damit wird die Bildungsungerechtigkeit weiter verschärft.  Die Chance auf einen bildungs- und chancengerechten Start wird damit einmal mehr vertan. Aus Sicht der GEW wächst damit auch der psychische Druck auf die Schüler*innen und ihre Eltern enorm, weil sie schon in Klasse 3 mit der Vorentscheidung konfrontiert werden, sich zwischen dem Gymnasium mit einer Unterrichtsversorgung von durchschnittlich immerhin 98 Prozent und einer Sekundarschule mit einer Versorgung von oft unter 90 Prozent entscheiden müssen. Chancengleichheit sieht anders aus. 

Für die Lehrkräfte an Grundschulen und zum Teil auch Gymnasien, die bereits jetzt über dem Limit arbeiten, bedeutet diese Verfahren eine weitere Arbeitsverdichtung und in Zeiten des Lehrkräftemangels eine weitere Belastung.

Ingo Doßmann, Mitglied im Landesvorstand der GEW, merkt an, „dass Grundschullehrkräfte bereits jetzt verantwortungsvoll und kompetent Schüler*innen und Eltern zum Halbjahr Klasse 4 beraten. Eine darüber hinaus geplante Beratungstätigkeit sprengt den Rahmen des Notwendigen völlig.“

Eva Gerth, Landesvorsitzende der GEW, ergänzt: „Aus den Fehlern der Vergangenheit hat man im Bildungsministerium offenbar nichts gelernt. Die Schulform Sekundarschule wird nicht durch die Zwangszuführung von Schüler*innen attraktiv. Sie wird für viele Eltern dann zur echten Alternative, wenn sie endlich materiell und personell gut ausgestattet wird. Einmal mehr setzen die dafür Verantwortlichen ein völlig falsches Zeichen.“
Aus Sicht der GEW verliert man bei all diesen Überlegungen das Kind als eigenständige Persönlichkeit völlig aus dem Blick.

Die neue Art der Schullaufbahnempfehlung soll auf Drängen der CDU entstanden sein und u. a. auf dem politischen „Schacher-Tisch“ gelegen haben, als die A 13/E 13 für Grundschullehrkräfte durch die SPD eingebracht wurde.

Hintergrund

Das Bildungsministerium plant, den Übergang von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen neu zu regeln. Danach soll es im 2. Halbjahr von Klasse 3 eine thematische Elternversammlung geben, auf der die Wege nach Klasse 4 besprochen werden. Zusätzlich finden zu diesem Zeitpunkt Lernentwicklungsgespräche statt, in dem die Eltern individuell im Hinblick auf die weitere Schullaufbahn beraten werden. Auf Wunsch der Eltern soll die Schule hier bereits eine umfassende Einschätzung der Leistungen der Kinder geben.

Ab dem kommenden Schuljahr sollen dann Viertklässler, die keine gymnasiale Empfehlung erhalten, noch vor dem Erstellen der Schullaufbahnempfehlung an einem schriftlichen Test in Deutsch und Mathematik teilnehmen. Zusätzlich findet ein mündliches Eignungsgespräch an einem regionalen Gymnasium statt.

Die Erziehungsberechtigten werden über das Ergebnis informiert und treffen dann letztlich die Entscheidung über die Schullaufbahn.

Bisher wurden Eltern und Kinder zum Halbjahr der Klasse 4 zur Schullaufbahn und zum Übergang in weiterführende Schulen beraten.