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Rede der Vorsitzenden auf der Kundgebung gegen Arbeitszeiterhöhung

„Die GEW lehnt die verpflichtende Zusatzstunde ab!“

Die folgende Rede sprach die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt Eva Gerth am 13. Februar auf der Kundgebung gegen die Arbeitszeiterhöhung zum Publikum:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung will alle Lehrkräfte zu Mehrarbeit verpflichten. Das hat Ministerpräsident Haseloff auf dem sogenannten Bildungsgipfel verkündet oder soll ich sagen „angewiesen“. Wir sind hier, weil wir gegen jede Erhöhung der Arbeitszeit protestieren!

Wir fordern Entlastungen des pädagogischen Personals in den Schulen und wir kämpfen für die Anerkennung unserer guten Arbeit! Wir zeigen der Landesregierung mit dieser Kundgebung, dass wir keine Lust haben, die Ergebnisse ihrer verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahre auf unserem Rücken wegzutragen.

Die meisten von uns sind hier, weil sie ihren Beruf wollten und weil sie ihn lieben, weil sie für die Kinder da sein und Bildung vermitteln wollen. Die Schule ist ihnen nicht nur Arbeit, sondern wichtiger Teil des Lebens. Gleichzeitig mit der ab jetzt zusätzlich zu leistenden zusätzlichen Stunde hat unser Ministerpräsident verkündet, dass die Hälfte aller Langzeiterkrankten im Landesdienst Lehrkräfte sind, obwohl sie nur ein Viertel der Beschäftigten ausmachen. Es ist einfach ignorant, die Belastung in den Schulen genau zu kennen und trotzdem den Druck zu erhöhen. Deshalb steht unsere Kundgebung unter dem Motto „Hoch mit der Bildung, runter mit der Arbeitszeit!“

Lasst mich zur Erklärung, warum der Ärger so groß ist, kurz in unsere Geschichte nach der Wende blicken. Wir haben Teilzeit gegen Arbeitsplatzsicherheit getauscht. Auch das tat weh und war nicht freiwillig. Es wurde auch da schon mehr gearbeitet als bezahlt und Arbeitszeitkonten sind entstanden. Es tat weh, weil es damals noch keine Angleichung an das Westgehalt gab und weil auch viele Abordnungen stattfanden. Ihr erinnert euch: Grundschulkolleg*innen an die Sekundarschulen, Sekundarschulkolleg*innen an die Gymnasien und zurück. Dazu noch Förderstufe und 13. Schuljahr. Und es waren immer zu wenige Einstellungen. Von 2006 bis 2016 gab es in einer CDU/SPD-Koalition einen Finanzminister in Sachsen-Anhalt, der offensichtlich der Auffassung war, dass wir zu viel Personal im öffentlichen Dienst haben. Und auch in diesen Jahren gab es zu wenige Einstellungen von Lehrkräften.

2018 wurde ein Expertenbericht veröffentlicht, in dem das ganze Ausmaß des Personalmangels bis 2030 dargestellt wurde. Es gab immer noch zu wenige Einstellungen und dazu einen endlosen Streit, wie viele Lehrkräfte man im Land ausbilden müsste – bis heute. Heute sind genug Einstellungen von Lehrkräften möglich, es sind nur keine Lehrkräfte mehr da. Jetzt erinnert sich die Politik plötzlich an das Schulpersonal und macht nicht – was auch möglich wäre – den Job attraktiver, um mehr Kolleg*innen nach Sachsen-Anhalt zu bringen. Man erhöht einfach unsere Arbeitszeit und fordert Verständnis ein. Nein, genau das haben wir nicht! Wir nennen das eine verfehlte Personalpolitik seit vielen Jahren!

Hallo Landespolitiker*innen, wissen Sie, was in den Schulen läuft? Jede Menge Vertretungsstunden, Mehrstunden längst schon ohne Begrenzung nach oben, Klassenzusammenlegungen, Kürzung der Unterrichtszeit, Lehrkräfte, die krank sind und trotzdem vor der Klasse stehen, Lehrkräfte, die fast jedes Wochenende arbeiten, wie Arbeitszeituntersuchungen zeigen, Lehrkräfte, die die Dienstlaptops selbst administrieren, Lehrkräfte, die in Teilzeit gehen, um ihren eignen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, weil die Arbeit sonst nicht zu schaffen ist. Schulleitungen, deren Aufgaben stetig zugenommen haben und die jetzt dieses Konstrukt von Verordnungen managen müssen, die den Unterricht anders verteilen und die Abordnungen anweisen sollen. Und wer immer noch meint, dass eine Unterrichtsstunde nur ein Klacks sei, den lade ich ein, mal einen Monat als Vertretungslehrkraft an einer Sekundarschule zu arbeiten, am Besten an einer mit einer Unterrichtsversorgung von unter 80 Prozent.
 

Hallo Landespolitiker*innen, wollen Sie wissen, was Schule attraktiv macht?

  • Beförderungsstellen und die A 13/E 13 für Grundschullehrkräfte,
  • Unterstützung in unserer Arbeit, und zwar nicht nur 50 Schulverwaltungsassistent*innen für ca. 800 Schulen, denen dann noch die Anrechnungsstunden gekürzt werden.
  • Wir brauchen Menschen, die sich um die Administration der digitalen Infrastruktur kümmern, für alle Schulen, für alle Laptops.
  • Wir brauchen echte Angebote für Unterricht in den Betrieben, die nicht am Geld scheitern.
  • Wir brauchen gute Bedingungen für unsere pädagogischen Mitarbeiter*innen, damit sie bleiben.
  • Wir brauchen endlich ein flächendeckendes Landesprogramm Schulsozialarbeit.
  • Wir brauchen gute Bedingungen für die Älteren, damit man im Job alt werden kann und will
  • und wir brauchen Zeit für die Entwicklung von neuen Modellen und Programmen.

Hallo Landespolitiker*innen, verhandeln Sie endlich mit uns! Politiker*innen in anderen Bundesländern machen das und verhandeln mit ihren Gewerkschaften. In Sachsen-Anhalt wird einfach verordnet und Diskussionen werden abgebrochen. Bei den „Schulfrieden-Gesprächen“ vor der Landtagswahl haben Sie versprochen, dass über das Thema Lehrkräftearbeitszeit mit den Gewerkschaften gesprochen wird.
 

Wir fordern:

  • die sofortige Rücknahme der Arbeitszeiterhöhung für alle und die Schaffung von attraktiven, gut bezahlten, freiwilligen Lösungen,
  • die A 13/E 13 für Grundschullehrkräfte jetzt und sofort, dazu Beförderungsstellen,
  • weiteres Personal zur Unterstützung und Entlastung für die Schulen, Partnerschaften mit Betrieben und vielen anderen gesellschaftlichen Kräften – und das schnell – und
  • Gespräche mit der GEW und den anderen Gewerkschaften und Verbänden über Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen und die Ausbildung von Lehrkräften.

Die GEW lehnt die verpflichtende Zusatzstunde ab! Sollte sie kommen, werden wir die Regelung gerichtlich überprüfen lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, danke, dass ihr da seid, danke für eure Solidarität. Ich verspreche euch, dass die GEW für jede Beschäftigtengruppe in der Bildung kämpft und gekämpft hat und eure Forderungen weiterträgt. Verliert nicht den Mut, wenn der Kampf länger dauern sollte! Lasst uns weiterkämpfen, alle gemeinsam und solidarisch!

Kontakt
Eva Gerth
Landesvorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt
Adresse Markgrafenstraße 6
39114 Magdeburg
Telefon:  0391 735 54 30